1995 starteten Frankfurts Pflegeheime gemeinsam mit Energie- und Wassersparmaßnahmen

1995 starteten Frankfurts Pflegeheime gemeinsam mit Energie- und Wassersparmaßnahmen

(Mynewsdesk) Im Oktober 2015 wandte sich Paul Fay, Energiereferat Frankfurt, an das FFA-Netzwerk der Pflegeheimleitenden, um sie zu ermuntern, erneut eine Energieverbrauchskontrolle durchzuführen. Da für große Heimträger ab 2015 gesetzlich ein Energieaudit vorgeschrieben ist, sind die Daten für dieses Vorhaben zumeist bereits vorhanden. Auch kleine Einrichtungen können mitmachen. Vor 20 Jahren wurde die erste Energieerhebung in Heimen durchgeführt. Leitende aus 34 Einrichtungen machten sich dafür stark, den Strom-, Gas- und Wasserverbrauch zu reduzieren. Eine Folge war, dass Schritt für Schritt in den Häusern z. B. Blockheizkraftwerke und einfache Wasserspartechnik eingebaut sowie Mülltrennung implementiert wurden. Ein Ziel damals bestand – neben der Energiereduktion – auch darin, klimafreundlich zu handeln. Paul Fay berichtet, dass 1995 fast die Hälfte (41 Prozent) aller Pflegeplätze geprüft werden konnten mit dem Ergebnis, dass das Heim mit dem höchsten Energieverbrauch um 200 Prozent über jenem lag, das den niedrigsten Verbrauch hatte. Die gemeinsame Verbrauchskontrolle habe auch bedingt, dass sich die Leitenden ihre Erfahrungen gegenseitig zu Nutze machen konnten. Welche Anforderungen heute anstehen und welche Ziele Frankfurt verfolgt, erläutert Paul Fay im folgenden Gespräch auch vor dem Hintergrund des Weltklimagipfels in Paris, der vom 30.11. bis 12.12.2015 stattfand.

Interview:

BGK: Als Hans Jonas 1987 den Friedenspreis für sein Buch „Prinzip Verantwortung“ in der Paulskirche erhielt, sagte er, dass sich der Mensch selbst zum größten Feind geworden sei durch seine Umweltzerstörung. Wie schätzen Sie das heute ein?

Paul Fay: Wir verbrauchen ein Vielfaches von dem, was gut für den Planeten wäre. Unser CO2 Fußabdruck ist z. B. zehnmal so groß wie der eines Inders, nämlich fast 11 Tonnen pro Einwohner. Aber die Entwicklungs- und Schwellenländer holen auf. Damit die nicht genauso verschwenderisch mit den Ressourcen des Planeten umgehen, haben wir hier eine besondere Vorbildfunktion zu übernehmen und zu zeigen, dass wir unseren CO2 Ausstoß reduzieren können. Auch wenn wir in Deutschland nur zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen erzeugen,was etwa einer Milliarde Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr entspricht.

BGK: Hat das damit zu tun, dass wir hier viel für den Umweltschutz tun?

Paul Fay: Sie meinen, dass wir unserer Vorbildfunktion gerecht werden? Naja, im Moment erleben wir da einen interessanten Effekt. Obwohl die erneuerbaren Energien beim Strommix zunehmen, ist es so, dass der CO2-Faktor von Strom nicht im gleichen Maße sinkt. Das liegt an unserem Strommarktdesign, was bewirkt , dass der billigste Strom aus abgeschriebenen Braunkohlkraftwerken in den Markt kommt, die schlicht gesagt „Dreck- bzw. CO2-Schleudern“ sind. Das Absurde dabei ist, dass hocheffiziente CO2-arme Gaskraftwerke nicht wirtschaftlich zu betreiben sind und vom Netz genommen werden müssen. Leider versagt der Emissionshandel hier völlig. Die Verschmutzungszertifikate sind zu billig. Hier müsste es ein Gesetz geben, das die Anlagen schlichtweg aufgrund des zu hohen CO2-Ausstoßes verbietet. Dann würden sich auch die hocheffizienten Gaskraftwerke wieder rechnen und der CO2 Faktor des Stroms würde sinken.

BGK: Ruht deswegen das Gas-Kraftwerk in Irsching?

Paul Fay: Ja, ein Kraftwerk mit 60 Prozent elektrischem Wirkungsgrad. Aber nicht wirtschaftlich, weil der produzierte Strom zu teuer ist – da wir die Abschreibung durch den Kapitaldienst haben und Erdgas leider teurer als Braunkohle ist.

BGK: Wie sehen Sie es, dass sich der Allianz-Konzern aus der Kohle verabschiedet?

Paul Fay: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. In der Tat ist es so, dass, wenn wir das 2°C Ziel bzw. das in Paris beschlossene 1,5°C-Ziel ernst nehmen, ein großer Teil der Kohlevorräte in der Erde verbleiben muss. Wenn es für den Kohleabbau keine Geldgeber mehr gibt, dann wird auch keine Kohle mehr abgebaut. Ein gutes Beispiel dafür könnte auch der geplante Tagebau für Steinkohle in Australien werden. Dieser könnte jetzt verhindert werden, weil es Umweltschützern gelungen ist, Einfluss auf die Kapitalgeber zu nehmen. Außerdem sind die Preise am Weltmarkt für Kohle gefallen, sodass sich das Investment wahrscheinlich nicht rentiert.

STATIONÄRE PFLEGE IN FRANKFURT: KLIMAVERÄNDERUNG – CO2-REDUKTON – ENERGIESPAREN

BGK: Wie wirkt sich der Klimawandel hierzulande aus?

Paul Fay: Wir hatten im vergangenen Sommer tropische Temperaturen über mehrere Tage und Wochen. Extreme Klimaereignisse, auch Regen und Sturmereignisse häufen sich. Wir hatten etliche tropische Nächte, in denen die 20 Grad nicht unterschritten wurden. Das ist gerade für ältere Menschen ein großes Problem. Man danke etwa an 2003, als viele alte Menschen in Folge der Hitze ums Leben kamen.

BGK: Nach 2003 wurde für Pflegeheime das Hitzewarnsystem in Hessen eingeführt, sodass Heimbewohner Kühlungwährend Extremtemperaturen erfahren.

Paul Fay: Das ist eine gute Einrichtung, die wahrscheinlich in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden muss, da wir damit rechnen, dass die Hitzeperioden länger werden. Dann kühlen sich auch die Räume in den Heimen nicht mehr ab. Diese extremen Wetterphänomene werden weiter zunehmen, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Wir haben gegenwärtig schon Klimaveränderungen, die wir nicht mehr aufhalten können, weil wir eine Menge CO2 emittiert haben, das auf dem Weg in die Stratosphäre ist. Und denken Sie an den Flugverkehr. Dieser wird eher zunehmen und das CO2 schon in 10 000 Metern Höhe emittieren.

BGK: Die Energieerhebung in den Pflegeheimen 1995 soll nun 2016 wiederholt werden. Was erwarten Sie von den Ergebnissen?

Paul Fay: Ich bin darauf gespannt, wie die Entwicklung seit 1995 in den Heimen gelaufen ist. Hat sich das Niveau, was den Energieverbrauch betrifft, wesentlich verbessert oder auch nicht? Es gibt vermutlich eine Verschiebunghin zu mehr Strom als Wärme. Das neue Energieaudit birgt die Chance, die Zahlen zu nutzen, um eine Transparenz zu erhalten, die jedem zeigt: Wo steht das jeweilige Heim mit seinen Verbrauchswerten im Vergleich zu den anderen? Das Audit ermöglicht einen detaillierten Blick auf jede Einrichtung: Wo wird am meisten verbraucht und welche Maßnahmen helfen den Bedarf zu reduzieren – insbesondere beim Strom.

BGK: Welcher der drei Energieträger Strom, Gas oder Öl erzeugt mehr CO2-Emissionen?

Paul Fay: Strom erzeugt etwa dreimal so viel CO2-Ausstoß wie Gas. Erdgas hat einen CO2-Faktor von 250 Gramm pro Kilowattstunde, Heizöl liegt bei 320 Gramm und Strom von 630 Gramm – laut Ifeu-Institut in Heidelberg.Blockheizkraftwerke, die die Heime auch betreiben, erzeugen Strom mit geringerem CO2-Faktor. Aber künftig geht es ja um die erneuerbaren Energien wie Wind, Wasser und Fotovoltaikanlagen. Für Frankfurt haben wir von dem Fraunhofer Institut in einer Simulation berechnen lassen, wie wir im Jahr 2050 100Prozent erneuerbar sein können. Der wichtigste Baustein ist dabei Energieeffizienz. D.h., dass erst mal Strom und Wärme gespart werden müssen, damit der Rest mit erneuerbaren Energien versorgt werden kann. Das sind dann so zwischen 50 – 80 Prozent Bedarfsreduktion für die Gebäude- auch Altenheime. Das geht natürlich nicht sofort, aber 35 Jahre bis 2050 ist auch kein so langer Zeitraum mehr.

BGK: Sie kamen 1995 zu dem Ergebnis, dass die Frankfurter Heime durchschnittlich ihren Energieverbrauch um 50 Prozent reduzieren und rund 1,8 Mio. Euro sparen könnten.Sehen Sie auch heute so ein Potenzial?

Paul Fay: Ich erwarte mir aus der Auswertung der Energieaudits, dass sich daraus verschiedene Maßnahmen ableiten lassen, die für alle Häuser ähnlich sind. Dann können die Heime gemeinsam die gleichen Maßnahmen anpacken und bei der Umsetzung voneinander lernen. Vielleicht gibt es auch schon die eine oder andere Einrichtung, die die Maßnahme heute schon umgesetzt hat. Diese können dann Vorbilder für die anderen sein. Daher sollten die Verantwortlichen der Heime das gemeinsam organisieren. Sie können z. B. Einkaufsgemeinschaften bilden, um günstigere Preise durch den Kauf hoher Stückzahlen für die jeweiligen Maßnahmen zu erzielen. Damit werden Kosten gespart. Und Geld, das nicht für Energie aufgewendet werden muss, das kann für andere Bedarfe in Heimen genutzt werden, etwa für Feste oder Betreuungsangebote. Und ganz nebenbei profitiert der Klimaschutz.

Beate Glinski-Krause: Haben Sie besten Dank für das ausführliche Gespräch.

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