1. Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Person des/der Einigungsstellenvorsitzenden, wird sie vom Arbeitsgericht bestellt (§ 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG). Bei der Auswahl hat dieses darauf zu achten, dass die Person fachlich und persönlich möglichst gut geeignet ist, die Betriebsparteien in ihrem Regelungsstreit zügig zu einer – idealerweise einvernehmlichen – Lösung zu führen.
2. Lehnt eine Betriebspartei die von der Gegenseite vorgeschlagene Person eines/einer Einigungsstellenvorsitzenden wegen fehlenden Vertrauens ab, muss sie dies bis zur Grenze rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht begründen. Erklären sich beide Betriebsparteien hilfsweise mit derselben Person als Einigungsstellenvorsitzende(r) einverstanden, ist diese Person zur/zum Vorsitzenden zu bestellen.
3. Befassen sich die Betriebsparteien in einer Besprechung mit einer von der Arbeitgeberin beabsichtigten Einführung eines Datenverarbeitungsprogramms und erklärt der Betriebsrat auf Fragen der Arbeitgeberin, ob er grundsätzlich mit der Einführung dieses Programms einverstanden sei, er lehne die Einführung ab, darf die Arbeitgeberin davon ausgehen, dass die Verhandlungen gescheitert sind.
LAG Düsseldorf vom 09.06.2020 – 3 TaBV 31/20
(Leitsätze der Verfasserin)
Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige die Einführung eines in einem Teil des Betriebs bereits eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms auch in einem anderen Betriebsteil. In einem Gespräch über das Vorhaben erklärte der Betriebsrat, er habe bisher keine guten Erfahrungen mit dem Programm gemacht. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin, sie wolle sich an den Hersteller wenden, um zu klären, ob die Mängel beseitigt werden könnten. Wegen der zu erwartenden Kosten bat sie den Betriebsrat, ihr mitzuteilen, ob er grundsätzlich mit der Einführung des Programms in dem anderen Betriebsteil einverstanden sei. Daraufhin beschloss dieser, die Einführung abzulehnen.
Daraufhin betrieb die Arbeitgeberin – nach entsprechender Unterrichtung über den Beschluss – die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle. Auf ihren Antrag bestellte das Arbeitsgericht Duisburg die Direktorin des Arbeitsgerichts Oberhausen zur Vorsitzenden der Einigungsstelle und setzte die Zahl der Beisitzer auf drei je Seite fest.
Vor dem Arbeitsgericht hatte der Betriebsrat lediglich geltend gemacht, es bestehe kein Rechtsschutzinteresse für den Antrag, weil die Betriebsparteien über den Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens noch nicht verhandelt hätten. Er legte Beschwerde gegen den Beschluss ein und lehnte zusätzlich – ohne Angabe von Gründen – die vom Arbeitsgericht bestellte Einigungsstellenvorsitzende ab. Er beantrage hilfsweise, eine Richterin am Arbeitsgericht Wesel zur Einigungsstellen-vorsitzenden zu bestellen. Hilfsweise erklärte sich die Arbeitgeberin damit einverstanden.
Das LAG Düsseldorf hat die Richterin am Arbeitsgericht Wesel zur Vorsitzenden der Einigungsstelle bestimmt und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen.
Zum Erfordernis, dass die antragstellende Betriebspartei ernsthaft versucht haben muss, mit der Gegenseite Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle zu führen, erklärt das LAG, die Einschätzung der Arbeitgeberin, die Verhandlungen seien gescheitert, sei offensichtlich begründet, da der Betriebsrat den Beschluss gefasst habe, der Einführung nicht zuzustimmen.
Erfolg hatte jedoch der Hilfsantrag des Betriebsrats. Das Gesetz regelt in § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG lediglich, dass das Arbeitsgericht die Person des Einigungsstellenvorsitzenden bestimmt, wenn eine Einigung darüber nicht zustande kommt. Was gilt, wenn die antragstellende Betriebspartei eine Person benennt, die von der anderen Seite ohne Angabe von Gründen abgelehnt wird, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Das LAG entscheidet sich für die Auffassung, dass Gründe für die Ablehnung nicht genannt werden müssen. Denn Sinn und Zweck des Einigungsstellenverfahrens sei es, dass den Vorsitz eine Person übernehme, die fachlich und persönlich möglichst gut geeignet sei, die Betriebsparteien in ihrem Regelungsstreit zügig zu einer – idealerweise einvernehmlichen – Lösung zu führen. Zur persönlichen Eignung eines/einer Einigungsstellenvorsitzenden gehöre auch, dass er/sie das Vertrauen beider Betriebsparteien habe. Die Gründe für fehlendes Vertrauen seien unerheblich, denn Vertrauen könne nun einmal nicht per Gerichtsbeschluss „verordnet“ werden. Nur wenn die Ablehnung einer vom Antragsteller genannten Person rechtsmissbräuchlich sei, gelte anderes. Jedoch müsse es dafür Anhaltspunkte geben.
Aus Sinn und Zweck des Einigungsstellenverfahrens ergebe sich aber auch, dass dann, wenn sich die Betriebsparteien hilfsweise auf eine andere Person als Einigungsstellenvorsitzende verständigt hätten, diese auch zu bestellen sei. In diesem Fall sei die Bestellung einer dritten Person ermessensfehlerhaft. Da sich die Arbeitgeberin hilfsweise mit der vom Betriebsrat in seinem Hilfsantrag genannten Richterin am Arbeitsgericht Wesel einverstanden erklärt hatte, führte dies zur Bestellung dieser Richterin als Einigungsstellenvorsitzende durch das LAG.
Fazit:
Dem LAG Düsseldorf ist zuzustimmen, dass eine Betriebspartei keine Gründe angeben muss, wenn sie eine(n) von der Gegenseite benannte(n) Einigungsstellenvorsitzende(n) ablehnt. Denn tatsächlich wird eine Einigung erheblich erschwert, wenn eine Seite erhebliche Vorbehalte gegen den/die Vorsitzende(n) hat. Es käme zu Verzögerungen, wenn deren Richtigkeit geklärt werden müsste; auch würde die Bereitschaft von Richterinnen und Richtern, den Vorsitz in solchen Verfahren zu führen, sinken, wenn sie mit Auseinandersetzungen über ihre Person im Bestellungsverfahren rechnen müssen. Die Entscheidung des LAG ist daher praxisnah. Soweit es annimmt, dass Arbeitgeberin und Betriebsrat Verhandlungen über das Thema der Einigungsstelle geführt haben, die gescheitert sind, führt es seine bisherige Rechtsprechung fort, die wir im Mandanteninfo Juli 2020 ausführlich besprochen haben.
Ingrid Heinlein, Vors. Richterin am LAG a.D., Rechtsanwältin
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