Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und Forderungen nach spezialisierter Therapie
Karlsruhe/Frankfurt am Main, 19. Oktober 2014. Welche Rolle spielen die Gene bei der pulmonalen Hypertonie? Warum ist bei Lungenhochdruck eine individualisierte Therapie sinnvoll? Wie lässt sich die Lebensqualität verbessern? Diese und viele weitere Fragen erörterten die Referenten beim 17. Patiententreffen des Selbsthilfevereins pulmonale hypertonie e.v. (ph e.v.) vom 17. bis 19. Oktober 2014 in Frankfurt/Main. Dabei wurde deutlich, dass nach wie vor großer Bedarf an Forschung sowie an Aufklärung der Öffentlichkeit über die schwerwiegende Krankheit Lungenhochdruck herrscht. Dies zeigte auch die Verleihung des 8. Journalistenpreises im Rahmen des PH-Patiententreffens.
Preis für Porträt einer Betroffenen
Der mit 3 000 Euro dotierte Journalistenpreis, den ph e.v. jährlich vergibt, ging dieses Jahr an Claudia Richter. Die österreichische Journalistin schildert in einem Beitrag für die Zeitung „Die Presse“, wie die 19-jährige Maleen Fischer mit der potenziell tödlichen Krankheit Lungenhochdruck lebt. Ihr Alltag ist von Einschränkungen geprägt. Auf vieles, was für andere junge Menschen selbstverständlich ist, wie Schwimmen, Tanzen und Feiern, muss sie verzichten. Über eine externe Pumpe und einen in die Brust implantierten Schlauch erhält sie laufend das Medikament Prostacyclin, um atmen zu können. Maleen steckt trotz allem voller Neugier und Lebensfreude. Ihr Vater Gerald Fischer setzt sich als Präsident der europäischen Vereinigung „PHA Europe“ für die Förderung der Forschung und eine bessere Betreuung der Patienten ein. „Alle 30 Sekunden ein Medikament ins Herz“ hat Claudia Richter ihren im August dieses Jahres erschienenen, sachlich fundierten und zugleich einfühlsamen Artikel überschrieben. „Mir ist es ein Bedürfnis, ein Bewusstsein für die Krankheit pulmonale Hypertonie zu schaffen“, sagte Claudia Richter bei der Preisverleihung. „Ihr Artikel thematisiert wichtige Probleme von PH-Patienten, wie Fehldiagnosen und mangelndes Verständnis für die Krankheit“, erklärte der Vorsitzende von ph e.v., Hans-Dieter Kulla.
Neue Erkenntnisse aus der Genetik
Bei der pulmonalen Hypertonie (PH), auch als Lungenhochdruck bezeichnet, sind die Lunge und das Herz betroffen. Aufgrund einer starken Verengung der Blutgefäße der Lunge steigt der Blutdruck in den Lungengefäßen zwischen der rechten und der linken Herzkammer an. Dies führt zu einer Durchblutungsstörung der Lunge, einer verschlechterten Sauerstoffaufnahme und einer Überlastung der rechten Herzkammer bis hin zum Herzversagen. Menschen mit PH sind kurzatmig und körperlich wenig belastbar. Die Krankheit ist meist fortschreitend; unbehandelt kann sie zu einem frühzeitigen Tod führen. Für PH gibt es verschiedene Ursachen. Einige Formen dieser Krankheit werden unter dem Begriff pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) zusammengefasst.
Wissenschaftler haben inzwischen einige Gene entdeckt, die das Wachstum von Lungengefäßen regulieren und eine Rolle bei der PAH spielen. Über diese Fortschritte in der Grundlagenforschung berichtete Professor Ekkehard Grünig, Leiter des Zentrums für PH in der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Das wichtigste Gen ist das BMPR2-Gen. Mutationen in diesem Gen bilden einen wesentlichen Risikofaktor für die Entwicklung von PAH. Professor Grünig betonte jedoch, dass es sich bei PAH um eine multifaktorielle Erkrankung handelt, für deren Auftreten weitere genetische und nichtgenetische Faktoren erforderlich sind. Wer eine entsprechende genetische Mutation geerbt hat, muss deshalb nicht zwangsläufig erkranken. Durch eine genetische Untersuchung lassen sich Nicht-Mutationsträger und Mutationsträger identifizieren. Mutationsträger sollten engmaschig überwacht werden, um eine eventuelle Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren. Dies ist deshalb wichtig, weil Träger einer BMPR2-Mutation häufig früher und schwerer erkranken als andere PAH-Patienten. „Eine genetische Untersuchung ist allerdings nur zusammen mit einer genetischen Beratung sinnvoll“, sagte Professor Grünig. Neue Erkenntnisse in der Genetik können überdies helfen, neue Therapien gegen Lungenhochdruck zu entwickeln.
Individualisierte Therapie in PH-Zentren
Warum seltene Krankheiten wie PH in spezialisierten Zentren behandelt werden sollten, erläuterte Professor Ardeschir Ghofrani vom Lungenzentrum des Universitätsklinikums Gießen und Marburg: Nur in spezialisierten Einrichtungen können Ärzte genug Erfahrungen mit der Therapie solcher Erkrankungen sammeln. „Die Qualität kommt mit der Quantität“, betonte Professor Ghofrani. Seiner Auffassung nach sollte ein PH Zentrum die folgenden Kriterien erfüllen: hoher Spezialisierungsgrad; interdisziplinäres Team mit Pneumologen, Kardiologen, Radiologen, Chirurgen und Vertretern weiterer Fachrichtungen; Abdeckung des gesamten therapeutischen Spektrums, eventuell auch über Kooperationen; Studienaktivität; experimentelle und translationale – an der Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung angesiedelte – Forschung; Integration in internationale Netzwerke; Versorgungsforschung. „Jeder Patient sollte zumindest ein Mal eines der großen PH-Zentren aufsuchen, um die Diagnose zu sichern“, empfahl Professor Ghofrani.
Lungenhochdruck und Lebensqualität
Mit der Lebensqualität bei Lungenhochdruck befasste sich PD Dr. Silvia Ulrich Somaini von der Klinik für Pneumologie am Universitätsspital Zürich. Sie stellte verschiedene krankheitsübergreifende und krankheitsspezifische Instrumente zur Erfassung der Lebensqualität vor und empfahl, beide Arten zu kombinieren. Wie Untersuchungen zeigen, ist die Lebensqualität von PH-Patienten unmittelbar nach der Diagnose am schlechtesten und verbessert sich im Lauf der Therapie. Besonders positiv wirkt sich Training auf die Lebensqualität aus. PH-Patienten leiden häufig auch an Depressionen oder Angststörungen; dies sollte im persönlichen Gespräch mit dem Arzt thematisiert werden.
PH und Herzrhythmusstörungen
Über Herzrhythmusstörungen bei Lungenhochdruck sprach Dr. Leonhard Bruch, Direktor der Klinik für Innere Medizin/Kardiologie des Unfallkrankenhauses Berlin. Bei PH kann die Überlastung des rechten Herzens zu Rhythmusstörungen führen. Diese können allerdings auch unabhängig von der PH auftreten und sie verschlimmern. Daher ist ein frühzeitiges Einschreiten erforderlich. Wie die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation Ratsuchende bei Fragen und Anträgen zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation unterstützen, berichtete Annett Grieser von der Deutschen Rentenversicherung Hessen. Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Standardisierung von Rehakliniken und die Wahl einer für PH-Patienten geeigneten Rehaklinik.
Am 17. PH-Patiententreffen nahmen insgesamt rund 250 Betroffene, Angehörige und Interessierte teil. Zusätzlich zu den Vorträgen standen zahlreiche Workshops auf dem Programm. Die Themen reichten von Gewichtsabnahme und Ernährung bei PH über Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training bis hin zu Eltern mit PH und dem Einfluss einer chronischen Erkrankung auf Familie und Partnerschaft. Dazu bestand reichlich Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
Das PH-Patiententreffen stand unter der Schirmherrschaft von Sozialminister a. D. Dr. Erwin Vetter. Für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung dankt ph e.v. den Hauptsponsoren Actelion Pharmaceuticals Deutschland GmbH, Bayer Vital GmbH und Pfizer Pharma GmbH sowie dem zusätzlichen Sponsor GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG. Weiterhin dankt der Verein der VIVISOL Deutschland GmbH für die Sauerstoffversorgung.
Sibylle Orgeldinger
Der Selbsthilfeverein pulmonale hypertonie e.v. wurde 1996 von Bruno Kopp gegründet, der selbst betroffen war. Der Verein vermittelt ph-spezialisierte Kliniken und Ärzte sowie Kontakt zu anderen Patienten mit PH. Außerdem unterstützt er seine Mitglieder bei der Inanspruchnahme medizinischer und sozialer Hilfeleistungen, organisiert Patiententagungen sowie -seminare und unterstützt die medizinische Forschung zum Krankheitsbild
Lungenhochdruck.
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