Interview mit Thrillerautor Daniel Dersch

Interview mit Thrillerautor Daniel Dersch

Buchcover „Freier Fall“ von Daniel Dersch

Beinahe ein halbes Jahrzehnt ist Daniel Dersch inzwischen als selbst publizierender Autor unterwegs, und es war eine fünf Jahre währende Erfolgsgeschichte. Im Dezember des abgelaufenen Jahres veröffentlichte er mit „Freier Fall“ seinen neusten Roman. Unsere Besucher haben den Thriller noch einmal ein Stück besser bewertet als all seine Bücher zuvor. Im Interview mit Leserkanone.de sprach Dersch über seinen aktuellen Roman, den Verzicht auf übernatürliche Komponenten und über das Erschaffen von literarischen Verbrechen.- Herr Dersch, zehn Monate sind vergangen, seitdem wir mit Ihnen über Ihren Roman „Gottes letzter Plan“ sprachen. Vor wenigen Wochen erschien mit „Freier Fall“ nun ihr nächstes Buch. Was können Ihre Leser von dem Roman erwarten?Die Leser erwartet ein aufregender Psychothriller voller Intrigen, Wendungen und dunkler Machenschaften. Außerdem hält die Geschichte das mit Abstand fulminanteste Ende bereit, das ich je geschrieben habe. Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, um Cathy Belle, die Hauptfigur meines Buches, bis zum bitteren Schluss durch die sprichwörtliche Hölle zu jagen – seelisch, körperlich und emotional. Dabei habe ich ihre gesamte Existenz seziert – und kurzerhand auf die Narkose verzichtet.- „Freier Fall“ ist Ihr erstes Buch, das ohne übernatürliche Komponenten auskommt. Was hat Sie dazu bewogen, es dieses Mal auf diesem neuen Wege zu versuchen? „Freier Fall“ ist in erster Linie ein knallharter Thriller. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, habe ich mich genretechnisch nicht allzu weit von meinen Wurzeln entfernt. In allen meinen Geschichten stehen die Figuren im Vordergrund, während die übernatürliche Prämisse nur die Funktion eines Katalysators übernimmt, der die Handlung in Gang setzt. „Freier Fall“ ist ein Thriller, der mitten im Leben spielt. Das Weglassen der Phantastik war daher nur eine logische Konsequenz aus der Exposition des Buches, die nun einmal tief in der Realität verwurzelt ist. Somit gab es keinen höheren Plan, dem ich durch das Aussparen übernatürlicher Elemente gefolgt bin. Die Geschichte selbst war der Plan.- Bedeutete der Verzicht auf Elemente wie Vampire, das Blicken in die Zukunft & Co. für Sie eine Umstellung bei der Herangehensweise an das Buch, da dieses Mal alles durch und durch realistisch bleiben musste und nicht auf Erklärungen aus dem Bereich der Phantastik zurückgegriffen werden konnte? Und müssen sich auch die Leser umstellen, richtet sich der Roman womöglich gar an eine andere Zielgruppe als Ihre bisherigen Werke?Nein, das Schreiben dieses Buches hat sich in keiner Weise von meinen früheren Arbeiten unterschieden. Phasenweise ging es mir sogar leichter von der Hand, da die Realität über unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten verfügt, die ich mir während des Schreibens nicht erst ausdenken musste. Dies wiederum kam maßgeblich der Kohärenz der Geschichte zugute.An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass Zielgruppen für mich absolut irrelevant sind. Ich schreibe in erster Linie Bücher, die ich gerne selbst lesen würde. Das ist die einzige Form von Marktanalyse, der ich mich widme. Mir geht es beim Schreiben vornehmlich darum, möglichst spannende Geschichten zu erzählen, die den Leser komplett in ihren Bann schlagen. Im Hinblick darauf gehe ich keine Kompromisse ein. Die Leser meiner früheren Werke müssen sich bei „Freier Fall“ jedenfalls nicht umstellen. Ganz im Gegenteil – das äußere Erscheinungsbild meines neuen Werkes mag sich zwar ein bisschen gewandelt haben, die DNS ist aber nach wie vor die Gleiche geblieben.- Cathy Belle, die Protagonistin Ihres Romans, wird im Laufe der 466 Seiten gehörig gebeutelt und mit tiefsten menschlichen Abgründen konfrontiert. Woher nehmen Sie die Inspirationen, um die dunkelsten Stellen der menschlichen Seele in Worte fassen und Verbrechen konstruieren zu können, wenn Sie selbst – so hoffen wir es doch – eigentlich ein friedliches Leben führen?Ich will an dieser Stelle vorausschicken, dass mein Leben natürlich in geordneten und friedlichen Bahnen verläuft, und dass diesbezüglich keinerlei Grund zur Sorge besteht. :-)Woher meine Inspiration kommt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Die meisten meiner Werke beruhen jedoch auf der Annahme, dass die menschliche Existenz sehr zerbrechlich ist, und dass oftmals nur sehr wenig Aufwand vonnöten ist, um sie komplett aus der Bahn zu werfen. Wenn ich also einen geeigneten Ansatzpunkt gefunden habe, schreite ich zur Tat und stoße meine Charaktere mit dem Kopf voran in die eiskalten Fluten des Wahnsinns. Sobald ich zu schreiben beginne, entwickeln die Geschichten eine Eigendynamik, die selbst ich weder voraussehen noch kontrollieren kann.Um daher Ihre Frage zu beantworten: Meist weiß ich selbst nicht, woher meine Inspiration kommt. Meine Phantasie ist wie ein alter Brunnen, von dem niemand mehr genau weiß, wer ihn gegraben hat. Solange er nicht versiegt, wird sich wohl auch niemand diese Frage stellen.- Wie kam es generell dazu, dass Sie im Bereich von Thrillern und Horror-Literatur gelandet sind? Was bedeuten die Genres für Sie persönlich?Meine Vorliebe für diese beiden Genres entspringt meiner persönlichen Präferenz als Leser. Thriller und Horror-Geschichten haben mich mein ganzes Leben lang begleitet. In diesen Sphären kenne ich mich aus, alles darin ist vertraut, ich kann mich frei bewegen. Daneben war ich aber auch immer sehr der Klassik zugetan. Inzwischen schreibe ich Bücher, die auf den ersten Blick zwar unter die oben genannten Kategorien fallen, aber dennoch über sehr klassische Motive verfügen. Das wiederum ist ein unerschöpflicher Quell der Freude für mich, da ich die einmalige Möglichkeit habe, Geschichten neu zu interpretieren und sie auf meinen persönlichen Geschmack zu adaptieren.- Wird jemals der Tag kommen, an dem ein Buch von Daniel Dersch erscheinen wird, in denen Lebensgefahr und psychischer Stress für die Protagonisten keine Rolle spielen werden?Eine Geschichte ganz ohne Lebensgefahr? Durchaus vorstellbar. Aber so ganz ohne Stress? Völlig ausgeschlossen! Immerhin ist Stress die mit Abstand beste Motivation für meine Protagonisten. Stress zwingt sie regelmäßig dazu, über sich hinauszuwachsen und völlig verrückte Dinge zu tun, um ihr Ziel zu erreichen. Demgemäß vertrete ich die Ansicht, dass jeder gute Roman – völlig unabhängig vom Genre – letzten Endes nur die Stressbewältigungskompetenz seiner Charaktere beschreibt. Und selbst die komplette literarische Abkehr von Stress – wie sie beispielsweise in Ivan Gontscharows „Oblomow“ gezeigt wird, mündet zwangsläufig wieder im Stress. Nicht zuletzt deswegen ist Stress auch ein integraler Bestandteil meiner Werke – es ist der rote Faden, der die einzelnen Momente miteinander verbindet. Ohne psychischen Stress würden meine Protagonisten wahrscheinlich den ganzen Tag nur Däumchen drehen, Kuchen essen und sich in ihrer Fabelhaftigkeit suhlen. Ich kann mir nicht vorstellen, wer so etwas gerne lesen würde. Soweit ich weiß, existiert eins derartiges Literaturgenre überhaupt nicht.- Wie geht es nach „Freier Fall“ weiter? Stehen die nächsten Romanprojekte bereits in den Startlöchern?Nachdem ich in „Freier Fall“ die Motive von Homers Ilias bemüht habe, ist es nun an der Zeit, mich dem Naheliegenden zu widmen, und eine Neuinterpretation der Odyssee zu schreiben. Daran arbeite ich momentan. Dieses Buch wird den Abschluss meines von klassischen Motiven geprägten Zyklus bilden, der mit „Imperium der Angst“ seinen Anfang genommen hat. Und was danach kommt, weiß ich selbst noch nicht. Ich habe noch drei halbfertige Manuskripte in der Schublade, die ich alle liebend gerne beenden würde. Welchem dieser Bücher ich letzten Endes den Vorzug geben werde, liegt derzeit noch in den Sternen.

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