Bundesverwaltungsgericht schränkt Sonntagsarbeit ein

ARAG Experten erläutern die weitreichenden Entscheidungen

Die Sonntagsruhe ist in Deutschland grundgesetzlich geschützt. Dementsprechend verbietet das Arbeitszeitgesetz (ArbzG) die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen. Allerdings nicht ausnahmslos: So dürfen zum Beispiel Rettungsdienste, Feuerwehrleute, Ärzte oder Beschäftige in Gaststätten laut Gesetz auch an diesen Tagen arbeiten. Das ArbzG räumt den Ländern außerdem die Befugnis ein, weitere Ausnahmen zu beschließen. Die von der hessischen Landesregierung erlassene Verordnung ging dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun aber doch zu weit. Nach Ansicht der Leipziger Richter brauchen die Bürger am Wochenende weder Videotheken und Bibliotheken noch Callcenter. Auch in Lotto- und Totogesellschaften muss sonntags nicht gearbeitet werden. Buchmacher dürfen ihre Angestellten dagegen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigen. Was das Gericht im Einzelnen entschied, wissen die ARAG Experten.

Klage von Gewerkschaft ver.di und Evangelischer Kirche
Das BVerwG gab mit dem gestrigen Urteil (Az.: 6 CN 1.13) einer Klage der Gewerkschaft ver.di und zweier evangelischer Dekanate statt. Die hatten sich im Wege einer sogenannten Normenkontrollklage gegen die vom Land Hessen im Jahr 2011 erlassene Hessische Bedarfsgewerbeverordnung gewandt. Mit dieser Verordnung machte Hessen von der Ermächtigung im ArbzG Gebrauch, Ausnahmen vom arbeitsfreien Sonntag für Betriebe zuzulassen, „in denen die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist“. In Hessen durften danach unter anderem Arbeitnehmer in Videotheken, öffentlichen Bibliotheken, Callcentern, Lotto- und Totogesellschaften, Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis und im Buchmachergewerbe an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Diese Ausnahmen waren den Klägern zu weitreichend. Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel gab ihnen in erster Instanz Recht. Gegen die Entscheidung legte das Land Hessen Revision beim BVerwG ein.

Hessische Verordnung teilweise nichtig
Die obersten deutschen Verwaltungsrichter erklärten die Verordnung jetzt in Teilen für unwirksam. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen sei nicht erforderlich, um besondere Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Freizeitgestaltung zu befriedigen. Denn wer DVDs, Computerspiele oder Bücher am Wochenende haben wolle, der könne diese, so die Richter, auch vorausschauend an Werktagen ausleihen. Insoweit müsse der Schutz der Sonntagsruhe hinter dem Wunsch, spontan auftretende Bedürfnisse sofort erfüllen zu können, zurücktreten. Aus den gleichen Gründen sei auch eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Lotto- und Totogesellschaften zur elektronischen Geschäftsabwicklung nicht notwendig. Die generelle Ausnahme für die Arbeit in Callcentern hielt das Gericht ebenfalls für unvereinbar mit der Ermächtigung im ArbzG. Die Verordnung mache keine Einschränkung auf bestimmte Branchen oder Tätigkeitsbereiche, für die die Callcenter tätig würden. Dass der Betrieb von Callcentern jedoch in diesem Umfang erforderlich ist, um tägliche Bedürfnisse der Bürger zu erfüllen, lasse sich nicht feststellen, urteilten die Richter.

Buchmacher dürfen auch am Wochenende arbeiten
Anders sieht die Sache laut BVerwG bei den Buchmachern aus: Wettannahmen dürften auch Sonn- und Feiertags erfolgen, soweit es sich um Veranstaltungen handelt, die an diesen Tagen stattfinden. Außerdem dürften die Wetten nur am Ort der Veranstaltung entgegengenommen werden. Die Ausnahmeregelung gelte damit insbesondere für Rennsportveranstaltungen, wie zum Beispiel Pferderennen. Hierbei handele es sich dann aber um einen besonderen Sonn- und Feiertagsbedarf, der nur an Ort und Stelle befriedigt werden könne.

Noch keine Entscheidung über Eis- und Getränkeproduktion
Über die in der Verordnung geregelte Ausnahme für Beschäftigte in der Getränkeindustrie und in der Herstellung von Roh- und Speiseeis konnte das BVerwG dagegen noch nicht abschließend entscheiden. Nach Auffassung der Richter muss in diesen Betrieben nämlich nur dann zur Deckung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden, wenn die Kapazitäten während der Woche nicht ausreichten, um auch in Spitzenzeiten wie den Sommermonaten den täglichen Bedarf nach diesen Produkten zu befriedigen. Zur Beurteilung dieser Frage fehlte es dem BVerwG an tatsächlichen Feststellungen, weshalb es die Sache insoweit an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen hat.

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