Zeitrechnung vor Corona und nach Corona. Was bedeutet das?
Just in Time Historie
Seit Corona sprechen wir von einer Zeitrechnung „vor“ Corona und „nach“ Corona. Was bedeutet das?
Vor Corona war das Schlagwort „Just-in-time-Produktion“. D.h., der Kunde fragt nach – der Händler liefert. Wir sind es
in Deutschland gewohnt, unsere Bedürfnisse wie Essen und Trinken, aber auch den Wunsch nach einem neuen Auto
sofort bzw. zeitnah zu befriedigen. Lange Lieferzeiten oder leere Regale machen uns ungeduldig.
Deshalb war das „Just-in-time“ vor Corona für die Unternehmen so wichtig, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die
bedarfsgerechte bzw. bedarfssynchrone Produktion ist eine Produktions- und Lieferstrategie, bei der das in der
Produktion benötigte Material genau zu dem Zeitpunkt und in der Menge angeliefert wird, in der es am
Produktionsort benötigt wird. Die Just-in-time-Produktion ist dabei mehr als nur eine Form der Belieferung; sie ist
vielmehr ein Organisationsablauf, der Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der beteiligten
Unternehmen hat.
Just in Time Ziele
Seine Anfänge hatte „Just-in-time“ in der japanischen Automobilindustrie. Heute benutzen vom kleinen
Handwerksbetrieb bis zu multinationalen Konzernen fast alle dieses Prinzip.
Das Ziel für die Produktionsunternehmen ist es, das benötigte Material bei Bedarf zur richtigen Zeit am richtigen Ort
für die Weiterverarbeitung zu haben. Bei einer klassischen Lieferung müssen Logistik, Beschaffung, Produktion und
Vertrieb Hand in Hand gehen und dazu müssen Lieferanten und Dienstleister koordiniert werden.
Der Vorteil von Just-in-time ist die Optimierung der Produktionsprozesse und als Teil des Prozesses auch eine
geringere Vorratshaltung, die durch einen produktionsgesteuerten Verbrauch die Kosten der Lagerhaltung senkt,
weniger Liquidität bindet, geringere Investitionen notwendig macht und letztlich eine positive Auswirkung auf die
Eigenkapitalverwendung hat.
Globaler Handel
Der globale Handel war in den letzten Jahrzehnten durch ein kostengünstiges, schnelles, meistens pünktliches
Liefernetzwerk verbunden. Die Lieferkette lief vom Hersteller bis zum Kunden just-in-time.
Im letzten Jahr trafen dann mehrere Widrigkeiten aufeinander, die den globalen Handel massiv beeinträchtigt haben.
In China fällt der Strom aus, in Texas wütet ein Wintersturm, Vietnam geht in den Lockdown und im Suezkanal liegt ein
Schiff quer.
Folgen für Deutschland
Die Folgen für Deutschland? – Lieferengpässe, Produktionsausfälle bzw. -staus, Auftragsausfälle. Die
Versorgungskrise verschärft sich fast täglich, auch in Deutschland. Das ifo Institut meldete im September bereits drei
von vier Einzelhändlern mit Engpässen.
Daneben steigen die Materialpreise für Holz (zeitweise um mehr als 300 %) und Stahl drastisch an. Die
Automobilbranche meldet Produktionsstaus und deren Zulieferer kämpfen mit Insolvenzen, da insbesondere Chips für
die hochtechnisierten Autos fehlen. Zudem hält der Fachkräftemangel weiter an.
Die Pandemie, Lockdowns, Grenzschließungen, Verzögerungen bei den Abfertigungen in Seehäfen,
Überschwemmungen und Materialknappheit haben zu einem Ungleichgewicht in der Warenversorgung geführt.
Welche Auswirkungen hat das Ganze nun auf unsere Unternehmen und deren wirtschaftlichen Verhältnisse?
Budget-, Finanz- und Liquiditätspläne müssen neu geschrieben werden. Zeitpläne und Preisabsprachen sind
Geschichte und Bestellungen sowie deren Lieferungen sind ungewiss. Das alles hat Auswirkungen auf die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen, die, wenn sie Frühwarnindikatoren in ihre Planungen eingebaut und
ein entsprechendes Risikomanagement aufgebaut haben, gut aus der Krise herausfinden.
Wichtige Fragen zur Auftragserteilung
Zunächst stellen sich folgende Fragen: Können die bereits erteilten Aufträge noch rentabel ausgeführt werden? Wie
und wo wirken sich Auftragsstornos bei bereits bestelltem Material aus? Wie verhält es sich mit Aufträgen zu
Festpreisen, bei denen aber die Kosten für Material, Personal, Energie etc. steigen?
Dies führt nicht nur zu Ertragseinbußen, sondern hier öffnen sich auch Finanzierungslücken, die es zu schließen gilt,
um das Geschäft am Laufen zu halten. Im günstigsten Fall können Aufträge neu verhandelt werden. Aber was in der
Vergangenheit rentabel war, nämlich liquiditätsorientiert niedrige Lagerbestände zu halten, führt jetzt durch die
Lieferengpässe zu Problemen.
Wichtig ist jetzt nicht nur im Gespräch mit dem Kunden zu bleiben und die Situation für beide Seiten möglichst positiv
abzuschließen, sondern auch mit Lieferanten und Banken Kontakt aufzunehmen.
Liquidität sichern
Um die Liquidität zu sichern, sind Ausweitungen der Zahlungsziele mit den Lieferanten ein hilfreiches Mittel. Aber was
sind wichtige Faktoren für das Bankgespräch? Hier spielen Kennzahlen – wie Eigenkapitalquote und Cash-Flow sowie
Umsatzrentabilität eine entscheidende Rolle. Einflussfaktoren auf diese Kennzahlen sind in diesem Fall neben den
Umsatzeinbußen die Kosten, die das Ergebnis und damit auch das Eigenkapital beeinflussen. Maßgeblich tragen dazu
natürlich die massiven Preissteigerungen beim Material bei, aber auch Energie-, Logistikkosten, Vertragsstrafen für
nicht fristgerechte Auftragsfertigstellung bis hin zu höheren Finanzierungskosten für höhere Banklinien wirken auf das
Ergebnis.
Höhere Banklinien zur Erhaltung der Liquidität werden durch ein höheres Working Capital notwendig. Eine höhere
Bevorratung aufgrund von Produktionsstaus oder höheren Lagerbestands zur Sicherung einer reibungslosen
Produktion und zur Vermeidung von Lieferengpässen benötigen ausreichende Liquidität, die durch Ausweitung der
Kreditlinien ermöglicht wird. Dies wirkt sich aber negativ auf das so wichtige Eigenkapital als Haftungsgrundlage für
das Unternehmen aus und widerspricht dem betriebswirtschaftlichen Gedanken Working Capital im Sinne niedrigerer
Liquiditätsbindung zu senken.
Sicher durch angespanntes Fahrwasser
Wirksame Instrumente, um sicher durch das wirtschaftlich angespannte Fahrwasser zu kommen, sind neben der
Beobachtung des Marktes das betriebliche Geschehen mit Budgetplanungen, Planungsrechnungen, Liquiditäts- und
Finanzplänen im Auge zu behalten. Es gilt hier aber, diese Instrumente nicht nur mit Zahlen zu befüllen, sondern sie
auch zu nutzen, um im rechten Moment in das betriebliche Geschehen einzugreifen.
Karen Vornholt Unternehmensberatung
in Kooperation mit CoPoli e.V.
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Schlüsselwörter: CoPoli, Beraternettzwerk, Corona, Mittelstand, Beratung, Finanzierung, Fördermittel, digitale Transformation, Marketing/Vertrieb, Leadership, Organisationsentwicklung.
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