Felix Bechtold und seine Talentschmiede

Talent alleine reicht mir nicht – Mentalität ist das A und O

Felix Bechtold und seine Talentschmiede

Foto: Heiko van der Velden

Der SV Lippstadt hat einen der kleinsten Etats im Westen. Trotzdem hält sich der SV 08 erstaunlich gut in der Spielklasse mit namhaften Vereinen wie RW Essen, Wuppertaler SV, Preußen Münster RW Oberhausen oder Alemannia Aachen um nur einige zu nennen. Das liegt auch daran, dass das Trainerteam Jahr für Jahr junge Talente nicht nur ausgräbt sondern zweitligatauglich macht.

Entwicklung ist für Felix Bechtold das Wichtigte

Entwicklung ist Bechtold wichtig, aus Herausforderungen schöpft er Kreativität. Mit 30 Jahren ist er einer der jüngsten Trainer der Regionalliga West. Da stellt sich die spannende Frage, wie er aus Talenten erfolgreiche Fußballer formt und warum für ihn Herausforderungen so wichtig sind.

Die Formel lautet demnach: Sie brauchen Herausforderunen, um erfolgreich zu sein? „Ja, da bin ich mir sehr sicher. Jedes Spiel, das wir spielen, hat hektische, unübersichtliche Anteile. Vor allem die jungen Spieler müssen lernen, jede Situation im Kopf zu verstehen, aber gleichzeitig mental mit voller Geschwindigkeit und Power reagieren zu können. Es ist meine Aufgabe es Ihnen überzeugend und kommunikativ zu vermitteln.

Manchmal lernt ein Spieler, indem ich mit ihm ein Video analysiere, manchmal zeige ich ihm etwas direkt auf dem Platz. Manche Spieler benötigen ein ausführliches und wertschätzendes Gespräch, manchen erkläre ich ihre Aufgaben an der Taktiktafel, manche verstehen mich blind. Das ist meine Art als Trainer. Es geht um den Prozess wie wir lernen, Situationen zu verstehen. Wie wir uns dadurch weiterentwickeln. Jeden Tag einen neuen Schritt zu machen ist ein großer Teil unseres Erfolgs. Ich sage immer: Der Erfolg kommt von allein, wenn wir ein Klima ständiger Herausforderungen schaffen.“

Dabei ist sich Bechtold sicher, dass nicht die Qualität des Einzelnen auf dem Platz entscheidet sondern die Qualität und der Charakter des ganzen Teams. Es interessieren ihm die Menschen, nicht nur die Spieler. Wenn die Jungs im schwierigsten Moment die beste Leistung bringen können, weil sie mit sich selbst klar sind und das Ziel vor Augen haben, dann ist alles viel einfacher. Klarheit gibt Sicherheit auf dem Platz. Strategie und Taktik sind wichtig. Aber zur Umsetzung braucht es Menschen. Die Spieler auf dem Platz sind Menschen, das ist immer zu berücksichtigen.

Individuell den besten Weg finden

Der Kampf um einen Platz in der Anfangsformation ist auch in Lippstadt schwierig, denn es sind immer nur 11 Spieler in der Startelf. Talente müssen sich auch bei Bechtold gedulden. „Es ist eine schnelllebige Zeit, die jungen Menschen werden mit dieser Schnelligkeit groß. Dabei ist es normal, dass Spieler, die aus der Jugend kommen, nicht sofort vorne dabei sind“, sagt Bechtold.

Die Frage, ob die Lippstädter mit einer Dreier- oder Viererkette auflaufen, wird dem SV-Trainer so gut wie jede Woche von der Presse gestellt, wirklich beantwortet hat er sie noch nie. Dem Trainer geht es mehr darum, was für eine Bandbreite des Wohlfühlens ein Spieler hat. Beispielsweise hat Marvin Mika zwei oder sogar drei Positionen, auf denen er flexibel einsetzbar ist. Bechtold bezeichnete es dabei als Ausnahme, dass er erst am Spieltag kommuniziert, wer anfängt und wer nicht. Bei Alexander Vogler wollte er es möglicherweise verhindern, dass der 18-Jährige eine unruhige Nacht vor der Partie hat. Beim Abschlusstraining gibt es meistens ein Elf-gegen-elf mit klar erkennbaren Tendenzen. Der Zeitpunkt der Information ist unterschiedlich, nicht um die Spieler auf die Folter zu spannen oder ihnen Unsicherheit zu geben, sondern weil der Ablauf nicht immer gleich ist.

In Lippstadt wird Spielern nichts geschenkt

Vor einem Platz auf der Bank ist auch bei Lippstadt kein Spieler geschützt. Das können ehemalige Stammspieler und sogar Leistungsträger sein. Dabei ist es in Lippstadt derzeit schwer, sich für die Startelf zu empfehlen. Denn wenn die Leistungen stimmen ist auch eine Konstanz im Team wichtig. Manche Spieler scheinen zu denken, in Lippstadt müsste ich doch spielen. Doch der Verein hat unter Felix Bechtold eine extrem positive Entwicklung gemacht und ist jetzt in der Breite viel stärker.

Ballbesitzorientierter, flexibler Offensivfußball

Es stellt sich die Frage ob der ballbesitzorientierte Offensivfußball auch 2022 die Ausrichtung sein wird? „Ja, auf jeden Fall bleiben wir beim Offensivfußball. Dazu haben wir die richtigen Spielertypen. Und wir werden unseren neuen Mannschaftsbus auch nicht vor dem Tor parken. Wir wollen den Ball haben, guten erfolgreichen Fußball spielen und die Zuschauer begeistern. Am Ende des Tages wird sich unsere Arbeit auszahlen. Wir werden uns dafür belohnen. Es ist wichtig, dass wir alles raushauen. Mir ist allerdings auch bewusst, dass wir viel arbeiten müssen und dass auch Tiefschläge kommen werden. Damit gilt es umzugehen und auf Strecke stark zu sein.“

Wir sind besser als andere

Ist Ihr Ziel für 2022 wieder der Klassenerhalt oder mehr? „Der Klassenerhalt im letzten Jahr war kein Zufall. Er war mehr als verdient. Wir hatten und haben richtig gute Jungs und wir holen das Optimum raus. Ich bin davon überzeugt, dass es in der Gesamtheit der Liga wesentliche schlechter aufgestellte Clubs gibt. Das gilt insbesondere auch für das Gesamtpakte wie beispielsweise Zusammenarbeit mit dem Präsidenten Thilo Altmann, dem Sportdirektor Dirk Brökelmann und vor allem auch meinen Co-Trainern.“

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