FNT 2014 – Nationales Theaterfestival in der rumänischen Hauptstadt Bukarest

Zum 24. Mal fand in diesem Jahr das Nationale Theaterfestival Bukarest (FNT), statt.

BildVom späten Oktober bis Anfang November sollte man in Bukarest all das Ausgesuchte zu sehen bekommen, was das Land Rumänien an gutem, besonderem, spektakulären Theater in der vergangenen Saison aufzubieten hatte. Das Land ist groß und normalerweise wissen nur Kenner, was außerhalb der Hauptstadt geboten wird. Staatliche und städtische Häuser (Teatrul National und Teatrul de Stat), rumänisch, ungarisch und deutsch sprachige Theater aus Baia Mare, Cluj, Sibiu, Targu-Mures, Craiova, Ramnicu-Valcea, Timisoara, z.B. waren von Festivaldirektorin Marina Constantinescu eingeladen, sich neben recht zahlreichen Produktionen aus Bukarester Theatern dem Publikum, der Presse und einigen internationalen Gästen zu beweisen.

Ein erster Blick auf das Programm zeigte die erfreuliche Tendenz – im Gegensatz zu den Anfangsjahren – einige „Freie“ Theater in Rumänien zu wissen, die politisch nicht unbedingt gewollt, sprich anerkannt, jedoch besonders vom jungen, intellektuellen Publikum geliebt werden, darunter das UNTEATRU und das ACT Theater. Es gibt noch viele derer mehr, die über das Jahr – ebenso wie das Nationaltheater Timisoara- ausreichend und qualitatives Theater produzieren, jedoch in der Auswahl 2014 leider nicht vertreten waren.

Bukarest hingegen war mit seinen vielen Häusern äußerst stark dabei, was andere Veranstalter in provinziellen Hintergrund drängt, bemerkten einige der wenigen, angereisten ausländischen Kenner der rumänischen Szene. Die Festivalleitung wird für drei Jahre von der Theatervereinigung ausgeschaut. In dieser Zeit kann sich das Wirkungsfeld dieses wichtigen Festivals gewaltig verschieben. Ein Stimmungswechsel tut manchmal gut, aber eben nur manchmal. Sicher bedeutet es für die Häuser aus den entfernten Städten ein Ehre in Budapest dabei sein zu können, sich der Presse zu präsentieren. Letztere verlässt recht ungern die die Hauptstadt, um über „die Provinz“ zu berichten.
Auch kann das auffallend junge Bukarester Besucherpublikum beim FNT ein Theater-Geschehen miterleben, das weit weg vom Zentrum von statten geht. Doch sollte der Blick über die Landesgrenzen hinweg nicht fehlen. Wäre es nicht sinnvoll, wenn man dieses Festival in einen rumänischen Theatershowcase erweitern würde? Es gäbe dem nationalen Austausch dieses riesigen Landes den ebenso wichtigen Blick auf das Theatergeschehen nach draußen. Ansätze dazu ließ diese Ausgabe weitgehend vermissen. Lesungen, Veröffentlichungen, Konferenzen waren auf eine rumänische Klientel abgestimmt, obwohl die meisten Vorstellungen dankenswerter Weise englische Übertitel trugen.

Immer wieder tauchten nach den Veranstaltungen die neugierigen Fragen von Regisseuren und Theaterleitern auf, wie man ihre rumänische Produktion im europäischen oder internationalen Kontext sehe oder ansiedeln könne? Dies kann nur dann genügend beantwortet werden, wenn auch ausreichend vielen ausländischen Besuchern der reich vorhandene Fundus offenbar gemacht wird.

Seit ca. acht Jahren vertrete ich im Westen Europas journalistisch den Slogan „Rumänien ist mehr als sein bekanntes Image“. Das beinhaltet auch, dass die zahlreichen kulturellen Positiva, darunter das Theatergeschehen, nach Europa hinein getragen werden, dem ich mich mit Begeisterung verschrieben habe. Und so mag meine Kritik als ein erneuter Anstoß gedacht sein.

Es gibt gute Ansätze, z.B. die rumänisch-deutsche Koproduktion über „die Kunst des Alterns“, ein Stück über demographische Entwicklungen von Peca Stefan, die binationale Uraufführung eines Auftragswerks im Rahmen des ETC-Projekts The Art of Ageing, eine gelungene Zusammenarbeit des Badischen Staatstheaters Karlsruhe mit dem Rumänischen Nationaltheater Timisoara. Ein Theatermarkt in der georgischen Hauptstadt Tiflis bietet schon seit vielen Jahren eine Plattform; man hat gelernt die inländischen Theatergeschehen international vorzustellen und so Theaterschaffen, Regisseure und einheimische Produktionen für das Ausland schmackhaft zu machen. Auch gibt es Fördertöpfe, die in Rumänien doch bitteschön zu suchen und zu nutzen sein sollten.

Natürlich sind Namen wie Silviu Purcarete, Andrei Serban und Radu Afrim von überregionalem Begriff, auch hat sich der junge Rumäne Eugen Jebeleanu mit der Compagnie 28 von Paris aus einen Namen retour in seine Heimat gemacht. Aber bei allen hat erst das internationale Augenmerk zu einem Durchbruch verholfen, sie sind Botschafter für das rumänische Theater geworden. Ebenso sei Gabor Tompa erwähnt, der künstlerische Leiter des Ungarischen Stadttheaters in Klausenburg (Cluj), der durch das Festival „Interferences“ im ungarisch sprachigen Raum eine Win-win Situation für sein relativ kleines Haus mit großem überregionalem Effet für ungarisches Theater aus Rumänien und ungarische Stücke aus dem Ausland in Rumänien, etc … erfolgreich etabliert hat. Auch hier geht es natürlich um nationale, hauseigene Interessen. Solche muss man in Bukarest ebenso vertreten, ohne sich jedoch nach außen abzuschotten. Die Empörung war groß, als ich vor etlicher Zeit Derartiges in einer Konferenz von Theatermachern in Bukarest anmahnte.
Gianina Carbunariu steht zwar Europa weit für ein Theater des rumänischen Neuanfangs, der Aufarbeitung der vergangenen Diktatur; sie gibt dem intellektuellen Rumänien Gesicht und Aussage. Doch nicht genug damit. Es blüht weit mehr im Verborgenen, in den kleinen und Kleinsttheatern, in denen sich junge Rumänen künstlerisch zu Wort melden, den Kulturtreffs, Theater-Cafés und -Bars. Hier lebt Bukarest, die jungen Aktiven besitzen funktionierende Netzwerke, wissen die sozialen Medien zu nutzen. Hier strömen bereits neue Impulse aus Rumänien hinaus und in das Land zurück. Ihre Blogs besitzen bereits weiter gehende Verbindungen als einige rumänische Zeitungen.

Wie wichtige wäre es gewesen, hätte man international diskutieren können über G. Carbunarius „On Sale“, der „Belgrade Trilogy“, inszeniert von Cristi Juncu, „Viktor“ von Roger Vitrac in der Regie von S. Purcarete. Radu Afrims „The Devil’s Casting“ sollte nicht nur im Norden Rumäniens verbleiben. „Five Hours with Mario“ des Spanier Miguel Delibes, erarbeitet von Mariana Carnarasan verflog viel zu rasch, nur um Einiges zu nennen, das gut und gerne die Aufmerksamkeit aus dem Ausland auf sich gezogen hätte.
Eine Festivaleigenproduktion hat rumänisch landesweit Aufsehen erregt. Eine ausgezeichnete Idee des FNT, jungen Musical-Talenten, von denen es in
Rumänien unzählige gibt, eine Bühne mit Bernsteins West Side Story im renommierten, zentral gelegenen Odeon Theater zu geben. Eine solche Idee wird längst durchgängig von Festivals international umgesetzt. Sie hat zum zweiten Male in Bukarest Widerhall gefunden. Die Gala HOP im Festival zeigte die besten der jungen Generation in Musik und Aktion auf den Brettern, die nicht alleine Rumänien, sondern die die Welt bedeuten können.

Denkt man an die Opernwelt, so spielt Rumänien mit Gesangsstars der Klassik eine Rolle. Aber sie würden nicht im Zenit des Ruhms stehen, wären sie nicht von außerhalb erkannt und gefördert worden. Das wünsche ich dem Nationalen Theaterfestival, das einen Wert in der Gesamtheit des rumänischen Theaters ausmacht, Bukarest plus viele Theater des Landes, sehenswert und förderungswürdig im Sinne von kulturellem Wert einer europäischen Nation, die willkommen ist in Europa und von der auch Europa kulturell profitieren kann. In diesem Sinne freue ich mich jetzt schon auf die Jubiläumsausgabe 2015.

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