Krankheitsbedingte Kündigung während der Probezeit: Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung?

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, Urteil vom 06. Februar 2014 – 5 Sa 324/13 -.

Ausgangslage:

Wird ein Arbeitnehmer während der Probezeit krank, folgt häufig eine Kündigung. Da innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht, ist gegen die Kündigung selbst meistens nicht allzu viel zu unternehmen. Eine andere Frage ist allerdings, ob der Arbeitnehmer für den Zeitraum von sechs Wochen Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Voraussetzung dafür ist, dass bei Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsverhältnis besteht und gemäß § 3 Abs. 3 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) die vierwöchige Wartezeit erfüllt ist. Allerdings endet der Entgeltfortzahlungsanspruch gem. § 8 Abs. 2 EFZG mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Kündigt der Arbeitgeber also mit zweiwöchiger Frist innerhalb der Probezeit, bekommt der Arbeitnehmer dann häufig weniger als die sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Von dieser Regel gibt es aber eine wichtige Ausnahme: Gemäß § 8 Abs. 1, Satz 1 EFZG kann der Arbeitnehmer die volle Entgeltfortzahlung von sechs Wochen beanspruchen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. In der Praxis ist es für Arbeitnehmer häufig sehr schwer zu beweisen, dass Anlass der Kündigung die Erkrankung war. Hier kommt ihm das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein zu Hilfe.

Urteil:

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vertritt die Auffassung, dass dann wenn zwischen Mitteilung der Erkrankung und Ausspruch der Kündigung ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht, zu Gunsten des Arbeitnehmers eine Vermutung streitet, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgte. Der Arbeitnehmer kann sich auf einen Anscheinsbeweis berufen, den der Arbeitgeber widerlegen muss.

Das Landesarbeitsgericht: Der Arbeitgeber kündigt dann aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsunfähigkeit wesentliche Bedingung der Kündigung ist. Es kommt auf die objektive Ursache, nicht auf das Motiv der Kündigung an. Maßgebend sind die objektiven Umstände bei Ausspruch der Kündigung. Der Begriff „aus Anlass“ ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat (st. Rspr., vgl. nur: BAG, Urt. v. 17.04.2002 – 5 AZR 2/01 -, Rn. 16, juris, m. w. Nachw.). Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Anlasskündigung ist die Arbeitnehmerin bzw. im Falle des Forderungsübergangs die Krankenkasse. Indessen kommt ihr regelmäßig der Anscheinsbeweis zugute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Eine Anlasskündigung ist mithin zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.03.2006 – 6 Sa 801/05 -, Rn. 31, juris) (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 06. Februar 2014 – 5 Sa 324/13 -, juris).

Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall widerlegen, dass die Arbeitsunfähigkeit Anlass für die Kündigung war. Er müsste also im Einzelnen darlegen, welches die Gründe für die Kündigung waren. Das wird dem Arbeitgeber in der Praxis selten gelingen.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer: Wenn Sie in der Probezeit krank werden und unmittelbar nach der Krankmeldung eine Kündigung erhalten, können Sie in der Regel sechs Wochen Entgeltfortzahlung beanspruchen. Der Arbeitgeber wird es schwer haben, darzulegen, dass die Kündigung nichts mit der Arbeitsunfähigkeit zu tun hat.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber: Wenn Sie sich entscheiden, einen Arbeitnehmer während der Probezeit zu kündigen, sollten Sie die Kündigung schnell in die Wege leiten. Ist dies nicht möglich, sollten Sie Ihren Entschluss sofort überzeugen besprechen und zum Beispiel durch einen Vermerk gut dokumentieren. Nur so wird es Ihnen später bei Streit über die Länge der Entgeltfortzahlung gelingen, den Ansprüchen des Arbeitnehmers erfolgreich entgegenzutreten.

5.11.2014

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