Lüftungsverhalten zur Vermeidung von Schimmelpilzbildung (Teil 3)

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen.

Schimmelpilz in Mietwohnungen: Anforderungen der Rechtsprechung an das Lüftungsverhalten von Mietern vor dem Hintergrund der Vermeidung von Schimmelpilzbildung.

Die Ausgangslage:

Im Zusammenhang mit der Entstehung von Schimmelpilz in Mieträumen geht es immer wieder um die Frage, ob und in welchem Umfang Mieter die Bildung von Schimmelpilz durch unzureichendes Lüftungsverhalten mitverursacht haben. Doch welches Lüftungsverhalten ist ausreichend? Die Rechtsprechung dazu ist sehr unterschiedlich und in weiten Teilen in der Begründung nicht nachvollziehbar. Nachfolgend einige Beispiele.

Der Urteilsinhalt ist kursiv dargestellt, dahinter jeweils mein Kommentar bzw. meine Erläuterungen. Insgesamt ist zu beachten, dass sich die Urteile häufig auf konkrete Fälle beziehen und häufig nur gesagt wird, dass dieses oder jenes Lüftungsverhalten ausreichend bzw. nicht zumutbar ist. Das besagt jeweils noch nicht zwingen, dass bei dem geschilderten Lüftungsverhalten jeweils die Grenze zu verorten ist.

Die Rechtsprechung:

Bundesgerichtshof: Es ist Mietern zumutbar, eine etwa 30 qm große Wohnung bei Anwesenheit von zwei Personen während des Tages insgesamt vier Mal durch Kippen der Fenster für etwa drei bis acht Minuten zu lüften (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – VIII ZR 182/06 -, juris). Hier ist zu berücksichtigen, dass es nur um das Lüften durch Kippen der Fenster der Wohnung ging. Möglicherweise hätte ein Querlüften, beziehungsweise Stoßlüften auch zweimal am Tag genügt.

Oberlandesgericht Frankfurt: Zur ordnungsgemäßen Belüftung einer Wohnung reicht es aus, dass morgens zweimal und abends einmal quergelüftet wird (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Februar 2000 – 19 U 7/99 -, juris).

Landgericht Konstanz: Hinsichtlich des Lüftungsverhaltens dürfte höchstens eine tägliche Lüftung von 3 Mal gefordert werden können (LG Konstanz, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 61 S 21/12, 61 S 21/12 A -, juris).

Landgericht Dortmund: 7 mal täglich muss nicht gelüftet werden (LG Dortmund, Urteil vom 20. November 2007 – 1 S 49/07 -, juris).

Landgericht Hagen: 4- oder 5-malige Lüftung bei durchgängiger Anwesenheit aller Bewohner) für notwendig angesehene Lüftungsverhalten ist zumutbar (LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 19. Juli 2012 – 1 S 53/12 -, juris). Aus meiner Sicht weit überzogene Anforderungen. Auf die Frage der individuellen Zumutbarkeit kann es nicht ankommen. Das Gericht bestimmt die Frage, ob ein Mietmangel vorliegt danach, ob der Mieter persönlich den Erfolgseintritt zumutbar (durch lüften) verhindern kann. Die Frage des Mangels ist aus meiner Sicht objektiv zu bestimmen. Es ist daher grundsätzlich unabhängig von der Person des Mieters zu fragen, welches Lüftungsverhalten zumutbar ist.

Landgericht Frankfurt: Entspricht die Bausubstanz den Mindestanforderungen des Baujahres des Hauses und entsprechen Kältebrücken dem damaligen Stand der Technik, ist das Stoßlüften 3 bis 4 mal täglich auch für einen berufstätigen Mieter nicht unzumutbar (LG Frankfurt, Urteil vom 07. Februar 2012 – 2-17 S 89/11, 2/17 S 89/11 -, juris). Meiner Ansicht nach völlig lebensfremde Anforderung an das Lüftungsverhalten.

Amtsgericht Nürtingen: Dreimal tägliches Stoßlüften. (AG Nürtingen, Urteil vom 09. Juni 2010 – 42 C 1905/09 – juris). Zu ungenau: Wie lange und welche Fenster müssen geöffnet werden?

Amtsgericht München: Durchgängiges Lüften kann nicht verlangt werden, auch nicht ein Nachtschlaf bei geöffneten Fenster (Amtsgericht München, Urteil vom 11.6.2010, 412 C 11503/09 – Juris).

LG Frankfurt (Oder): Zweimaliges Stoßlüften am Tag für 10 bis 15 Minuten ausreichend. (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14. September 2010 – 19 S 22/09 -, juris)

Kritik der Rechtsprechung:
Aus meiner Sicht gehen alle Urteile, die auf ein individuell zumutbares Lüftungsverhalten abstellen, fehl. Die Frage des Vorliegens eines Mangels ist aus meiner Sicht objektiv zu bestimmen. Es ist daher grundsätzlich unabhängig von der Person des Mieters zu fragen, welches Lüftungsverhalten objektiv zumutbar ist. Ist mithilfe eines solchermaßen objektiv ermittelten Lüftungsverhaltens die Wohnung nicht schimmelpilzfrei zu halten, liegt ein Mangel der Mietsache vor.

Vom Mieter geschuldetes Lüftungsverhalten:

Bei der Bestimmung des geschuldeten Lüftungsverhaltens wird man folgende Fragen unterscheiden müssen:

Wie oft muss gelüftet werden?

Ausgangspunkt muss die allgemeine Erwartung eines Mieters an den Zustand der Wohnung sein. Heutzutage wird man davon ausgehen müssen, dass ein Großteil der Menschen (nicht nur der Rechtsanwälte) ihre Wohnung nur morgens und (spät) abends zu sehen bekommen. Ein solches Wohnverhalten, welches quasi auf eine Nutzung der Wohnung zum Schlafen hinausläuft, ist allgemein üblich. Vor diesem Hintergrund kann ein Lüftungsverhalten von mehr als zweimal am Tag (morgens und abends) nicht gefordert werden.

Welche Fenster müssen geöffnet werden?

Mieter, die nur zweimal am Tag lüften können, müssen sicher ein intensiveres Lüftungsverhalten an den Tag legen. Es scheint daher angemessen zu fordern, sämtliche Fenster der Wohnung vollständig zu öffnen.

Wie lange muss gelüftet werden?

Für einen vollständigen Luftaustausch beim Öffnen sämtlicher Fenster ist sicherlich ein Öffnen von 5 Minuten ausreichend. Gerade in der kalten Jahreszeit ist mehr auch nicht zumutbar. Wer nicht sämtliche Fenster öffnet, muss natürlich entsprechend länger lüften.

Besonderes Lüftungsverhalten bei übermäßigem Feuchtigkeitseintrag in die Wohnung

Wer zum Beispiel durch häufiges langes Duschen, Wäschetrocknen in der Wohnung auf Ständern, ungewöhnlich viele Grünpflanzen, Aquarien, Terrarien und ähnliche Feuchtigkeitsproduzenten einen erhöhten Feuchtigkeitseintrag in die Wohnung bewirkt, wird auch mehr Lüften müssen.

Fazit:

Das vom Mieter zu fordernde Lüftungsverhalten ist abhängig von der Wohnraumnutzung. Allgemein kann allerdings von einem zweimaligen Lüften durch vollständiges Öffnen sämtlicher Fenster für mindestens 5 Minuten ausgehen.

Tipp Mieter:

Mieter, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten 10 Minuten entsprechend Lüften und dieses Lüftungsverhalten im Streitfall auch beweisen können.

Tipp Vermieter:

Vermieter, die ein stärkeres Lüftungsverhalten von ihrem Mieter fordern wollen, müssen entsprechende Vereinbarungen mit dem Mieter treffen. Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings einer Wirksamkeitskontrolle nach dem Recht allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wer es mit den Anforderungen hier übertreibt, riskiert eine Unwirksamkeit der Vereinbarung.

7.10.2014

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