ver.di und LGAD verständigen sich auf ein zeitgemäßes, in der Handhabung einfacheres und diskriminierungsfreies Tarifwerk
Die 250.000 Beschäftigten des bayerischen Groß- und Außenhandels sollen in Zukunft nach einem neuen Tarifsystem bezahlt werden. Darauf haben sich die beiden Tarifparteien, die Gewerkschaft ver.di und der LGAD (Landesverband Groß- und Außenhandel, Vertrieb und Dienstleistungen Bayern) verständigt.
Dieser Abschluss ist der erste in der Landschaft des deutschen Handels, der die alte Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten überwindet und das Entgeltsystem grundlegend reformiert. Die getrennte Lohn- und Gehaltsfindung für Arbeiter und Angestellte findet nicht mehr statt. Diese erfolgt künftig für alle Beschäftigten nach einheitlichen Einstufungsmerkmalen und wird auf Basis der für eine Stelle erforderlichen Qualifikation erfolgen und nicht wie das bisher der Fall war nach Katalogen, in denen Tätigkeiten detailliert beschrieben werden. Erstmalig werden zusätzliche Anforderungen, wie zum Beispiel besondere körperliche Belastungen berücksichtigt.
Die Einigung ist das Ergebnis langjähriger Verhandlungen, die in einem Klima des Dialoges stattgefunden haben. Das Ziel war, eine in der Handhabung einfachere und transparente, aber auch zukunftsorientierte und diskriminierungsfreie Entgeltstruktur zu entwickeln. LGAD und ver.di sprechen von einem wegweisenden Abschluss.
Laut LGAD-Präsident Christoph Leicher ging es darum, eine Lösung zu finden, die in ihrer Gesamtheit passt: „Die neue Entgeltstruktur gibt unseren Unternehmen mehr Klarheit und Sicherheit. Gerade für eine Wirtschaftsstufe wie die unsere bringt das nun viele Vorteile: Da der Groß- und Außenhandel vor allem aus kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht und die Ressourcen der Personalabteilungen beschränkt sind, braucht es hier ein einfach handhabbares System. Das haben wir erreicht“, sagte Leicher und zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Verhandlungen.
„Wir haben mit der Entgeltstruktur einen Riesenerfolg nach langjährigen Verhandlungen erzielt. Bisher war es für eine Eingruppierung wichtig, dass die Beschäftigten die hierfür erforderliche Tätigkeit zu mehr als 50 Prozent ausüben. In der Praxis nehmen verschiedene Anforderungen zu, ohne dass die 50 Prozent Hürde überschritten wird und eine Höhergruppierung erfolgt. Diese Überwiegenheitsfalle haben wir überwunden. Uns ist es auch gelungen, den Tarifvertrag diskriminierungsfrei zu gestalten. Es wird nicht mehr die Einkommensdifferenzierung zwischen Alt und Jung oder Arbeitern und Angestellten geben“, so Dirk Nagel, Verhandlungsführer Groß- und Außenhandel der Gewerkschaft ver.di in Bayern.
Da die neue Entgeltstruktur in Zukunft nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten unterscheidet, sehen die Tarifvertragsparteien vor allem auch einen gerechteren Rahmen für die Vergütung: „Was in Zukunft zählt, ist vor allem die berufliche Qualifikation und die tätigkeitsbezogene Erfahrung“, so LGAD-Präsident Leicher. „Der Groß- und Außenhandel setzt damit deutliche neue Anreize für mehr Qualifikation. Dies ist wiederum wichtig, um der sich abzeichnenden Fachkräfteknappheit entgegenzuwirken“.
Unabhängig von der Qualifikation ist der Tarifvertrag gerechter in der materiellen Bewertung der Stellenanforderungen der Arbeitgeber. „Wir sichern mit der Entgeltstrukturreform zum Beispiel nicht nur die Einkommen in den unteren Entgeltgruppen ab, sondern erleichtern auch den Aufstieg in höhere Entgeltgruppen Zusammengefasst ist das neue Tarifwerk für alle Beschäftigten einheitlich , zukunftssichernd und diskriminierungsfrei“, so Nagel weiter.
„Bei der Entgeltstrukturreform ging es den Tarifpartnern zusätzlich darum, eine kostenneutrale Lösung zu finden. Auch jeder Arbeitnehmer kann beruhigt sein: Keiner verdient weniger als vorher“, formuliert Leicher ein Ziel des Tarifwerks.
Der Abschluss ist ab sofort rechtswirksam. Tarifgebundene Unternehmen können die neue Entgeltstruktur frühestens ab dem 1. April 2015 umsetzen, die Umstellung muss jedoch spätestens 1. Januar 2017 erfolgt sein. Erfahrungsgemäß orientieren sich auch viele Unternehmen der Wirtschaftsstufe, die nicht an die Abschlüsse gebunden sind, am Tarifsystem.
Das bisherige Tarifwerk stammt in seiner Grundstruktur aus dem Jahr 1979. Es war nicht mehr zeitgemäß und führte in der Anwendung zunehmend zu Schwierigkeiten. Die darin geregelte tarifliche Eingruppierung basierte auf detailliert vorgegebenen Tätigkeitsbeschreibungen, die den Veränderungen in der Arbeitswelt hinterherhinkten. Daraus ergaben sich sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite immer wieder Unklarheiten und Unsicherheiten, die wiederholt zu Streitfällen führten und von den Arbeitsgerichten entschieden werden mussten. Hinzu kam, dass viele der festgeschriebenen Tätigkeiten in der Praxis heutzutage nicht mehr bedeutsam sind, so zum Beispiel der „Beifahrer ohne Führerschein“. Im heutigen Berufsleben macht es immer weniger Sinn, geistige von körperlichen Tätigkeiten zu trennen. Die künftige Anwendung eines einheitlichen Tarifvertrags macht die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten nicht mehr erforderlich. Spätestens nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2005 entschieden hatte, dass es nicht mehr rechtens ist, Beschäftigte nach ihrem Lebensalter zu entlohnen, musste der alte Entgelttarif, der Lebensaltersstufen beinhaltete, überarbeitet werden.
Im Groß- und Außenhandel sind bayernweit über 250.000 Mitarbeiter in rund 22.000 Unternehmen beschäftigt. In Summe erzielen sie einen Umsatz von 150 Milliarden Euro. Damit ist die Wirtschaftsstufe Groß- und Außenhandel die zweitstärkste Wirtschaftsgruppe nach der Industrie.
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