Offene Fragen nach EuGH-Urteil zu Hartz IV-Kürzungen

Eine Information des Deutschen Schutzsverbands gegen Diskriminierung e.V.

Offene Fragen nach EuGH-Urteil zu Hartz IV-Kürzungen

Gegen Diskriminierung

17. November 2014. Die Botschaft aus Luxemburg ist deutlich: Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat klargestellt, dass Ausländer, die nur wegen Sozialleistungen nach Deutschland kommen, keinen Anspruch auf Hartz IV haben. Doch auch nach dem Urteil, so Uwe Hoffmann, Geschäftsführer des Deutschen Schutzverbandes gegen Diskriminierung e. V. (DSD), blieben wichtige Fragen ungeklärt.

Unter bestimmten Umständen darf Deutschland sogenannten Armutszuwanderern aus der EU Hartz-IV-Leistungen verweigern, so der Europäische Gerichtshof am 11. November 2014. Ein Staat müsse die Möglichkeit haben, Sozialleistungen zu versagen, so die Richter in Luxemburg. Dies gilt im Besonderen, wenn die betroffene Person nachweislich nur wegen den zu erwartenden Sozialleistungen nach Deutschland kommt. Vor der Urteilsverkündung befürchteten viele eine Flut von neuen Hartz-IV-Anträgen von EU-Zuwanderern, wenn der EuGH eine Korrektur der nationalen Regeln gefordert hätte. Die Debatte um den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen aus der EU heizte sich seit Januar 2014 zusätzlich auf, denn von da an galt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Viele Kommunen, Verbände und auch rechtspopulistische Parteien schürten mit der nun drohenden massiven Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen in das deutsche Sozialsystem Ängste in der Bevölkerung. Sogar die CSU machte zu Jahresbeginn mit ihrem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ mobil gegen Zuwanderer. Dass Rumänen und Bulgaren den deutschen Staat massenweise belügen, spiegele sich in den Zahlen jedoch nicht wider, so Uwe Hoffmann, Geschäftsführer des DSD (www.gegendiskriminierung.de).

Die Freizügigkeitsregelung der EU ist noch nicht ausgegoren

„Sicherlich hat der Europäische Gerichtshof mit diesem Urteil noch größere, emotional geführte Debatten und politische Empörung verhindert“, sagt Hoffmann (www.gegendiskriminierung.de). „Allerdings bleiben Fragen nach dem Kern der Freizügigkeitsregelung in der EU weiterhin offen.“ Ab wann hat ein EU-Ausländer den gleichen Anspruch auf staatliche Unterstützung wie ein deutscher Arbeitsloser? Wann beginnt der Anspruch für EU-Ausländer? Wenn dieser Arbeit hat, oder beginnt der Anspruch schon bei der Arbeitssuche? Der DSD-Geschäftsführer: „Die Freizügigkeitsregelung der EU ist noch nicht ausgegoren. Es gibt weiterhin viele Unklarheiten und damit auch genug Raum, um Diskussionen in politische Bahnen zu lenken.“ Eines aber habe das Urteil zumindest in den Medien bewirkt, so Hoffmann: „Solange die Diskussion auf Ausländer und deren Anspruch auf Sozialleistungen gelenkt wird, bleiben Debatten um ungerechte Sanktionen und falsche Hartz-IV-Bescheide für Deutsche aus. Doch gerade darüber müsste viel mehr geredet werden.“ Der DSD weiß wovon er spricht, denn der Verein ist auch Ansprechpartner für Hartz-IV-Empfänger, die ihre Bescheide prüfen lassen wollen, oder sich gegen ungerechte Sanktionen wehren wollen. Allein im letzten Monat kümmerte sich der Verein um über 150 Anfragen wegen offensichtlich falscher Hartz-IV-Bescheide.

Der Deutsche Schutzverband gegen Diskriminierung setzt sich für Menschen ein, die sich durch Behörden oder Unternehmen ungerecht behandelt fühlen, die bei ihrer Berufswahl aus böswilligen Gründen oder Vorurteilen benachteiligt wurden oder die durch den Staat oder seine Entscheidungen ins soziale Abseits gedrängt werden.

Besonders betreut werden Hartz IV-Empfänger, die eine kostenlose Erstberatung ihrer Fälle durch spezialisierte Anwälte erhalten.

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