Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) hat eine einfache Lösung für die Finanzierungslücke in der Psychotherapie-Ausbildung entwickelt.
Bonn, 15.05.2024 – In den nächsten drei Jahren ist mit etwa 8.100 Absolventinnen und Absolventen des neuen Studiengangs „Psychotherapie“ zu rechnen. Nach dem Studium müssen die Absolventen eine Ausbildung über mehrere Jahre ableisten, wenn sie sich später in eigener Praxis niederlassen und mit den Krankenkassen abrechnen wollen. Die Finanzierung dieser Ausbildung ist nach der letzten Gesetzesreform nicht gesichert.
Nach DPNW-Berechnungen entsteht den Ausbildungsinstituten eine durchschnittliche Finanzierungslücke von 2.700 Euro je Monat und Kandidat. Der hohe finanzielle Aufwand, der durch die Verpflichtung zur Gehaltszahlung und dem Angebot an Theorie, Selbsterfahrung und Supervision entsteht, ist aus Sicht des Verbandes für die Institute nicht leistbar.
Aus diesem Grunde legt das Kollegennetzwerk dem Bundesgesundheitsministerium nun einen eigenen Vorschlag zur Lösung des Problems vor. Mit einem staatlichen Zuschuss in Höhe von jährlich durchschnittlich 50,4 Millionen Euro ließe sich die Finanzierung sicherstellen.
Der DPNW-Vorsitzende Dieter Adler meint: „Wenn wir jetzt nichts tun, laufen die Psychotherapie-Studenten ab August 2025 vor die Wand. Dass darf nicht passieren, denn wir benötigen dringend Nachwuchs in unserem Beruf. Wenn man sich das Gesamtbudget des Gesundheitshaushalts anschaut, reden wir hier eigentlich über Peanuts.“
Vorschläge, die Ausbildung an psychotherapeutische Praxen oder psychiatrische Ambulanzen zu verlagern, sieht Adler kritisch: „Die Ausbildung darf nicht an die Praxen verlagert werden. Psychotherapeuten können und sollten die Ausbildung nicht übernehmen, hier sind die Ausbildungsinstitute gefragt. Die meisten Praxen sind ohnehin überlastet und arbeiten am Limit. Abgesehen davon würde es die Versorgungsnotlage noch vergrößern, wenn niedergelassene Psychotherapeuten den Nachwuchs unterrichten.“
Auch die Verlagerung der Ausbildung an psychiatrische Ambulanzen hält Adler für wenig zielführend: „In den Ambulanzen werden schwere akute Psychosen und Depressionen meist kurzfristig behandelt. Psychotherapeuten müssen aber auch längerfristige Behandlungen lernen, die gerade bei schweren Erkrankungen wichtig sind. Dieses Konzept ist so, als würde man Allgemeinmediziner ausschließlich im Rettungswagen ausbilden.“
Die zwei Hauptempfehlungen des Finanzierungskonzeptes
1. Einen staatlichen Zuschuss auf Grundlage einer Bezahlung auf der Stufe TVÖD 14 Eingangsstufe 1 bei Zugrundelegung einer Arbeitszeit von 72 Prozent von 76,8 Millionen Euro im ersten Jahr der Ausbildung und 24 Millionen Euro im zweiten Jahr der Ausbildung, was einer durchschnittlichen Finanzierung der Ausbildung von 50 Millionen Euro im Jahr entspricht.
2. Eine Verlängerung der Fristen um drei Jahre, damit die Ausbildung nach dem alten Muster erfolgen kann, also Verlängerung bis zum 01.09.2035.
Dies soll den ca. 5.350 Psychologie-Absolventen die Möglichkeit geben, ihre Ausbildung nach der alten Regelung abzuschließen. Nach der neuen Regelung hätten diese Nachwuchskräfte hierzu keine Chance mehr.
Zwar können die vorhandenen Institute die durchschnittliche Zahl von 2.700 dieser Absolventen pro Jahr übernehmen, aber diese würden die Ausbildungsplätze für Kandidaten nach der neuen Ausbildungsordnung „verstopfen“. Die Fristverlängerung würde die Situation entzerren, zumal die Kandidaten beider Ausbildungsgänge den theoretischen Teil der Ausbildung weitgehend gemeinsam ableisten können. Dies wäre in der Einzelselbsterfahrung und der Supervision nicht möglich.
Das komplette Konzept des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerks inklusive aller Berechnungen kann beim DPNW (po**@dp**.info) angefordert werden.
Hintergrund – Finanzielle Risiken für Praxen
Eine Ausbildung in den Praxen würde massive wirtschaftliche Risiken für die Praxisinhaber bedeuten. Denn ein längerer Krankheitsausfall des Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) ruft bei Bezahlung nach TVÖD 14 ein finanzielles Loch hervor, das nicht gefüllt werden kann oder sogar zur Insolvenz führt. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit einer Elternzeit bei den jungen PiW hoch und bedeutet ebenfalls ein finanzielles Risiko. Sechs Wochen Krankheit oder Elternzeit bedeuten umgerechnet 12.000 Euro Einnahme-Verlust plus fortgesetzte Gehaltszahlung.
Zudem können die PiW in einer Praxis bei Erkrankung oder Urlaub des Weiterbildungsbefugten, nicht tätig sein. Der Weiterbildungsbefugte ist verpflichtet, die Weiterbildung „persönlich“ zu leiten und muss daher präsent sein. So bedeuten sechs Wochen Urlaub oder Krankheit des Praxisinhabers sechs Wochen Verdienstausfall beider Behandler. Zudem muss jeder Weiterbildungsbefugte selbst eine Woche in Fortbildung. DPNW-Vorsitzender Dieter Adler rechnet vor: „Hierdurch entsteht eine unüberbrückbare, finanzielle Lücke: bei angenommenen 20 Patienten x 2 Behandler x 100 Euro/Stunde x 7 Wochen ergäbe das einen Ausfall von 28.000 Euro. Das kann kein Praxisinhaber stemmen.“
Finanzielle Risiken für psychiatrische Ambulanzen
Bei psychiatrischen Ambulanzen gilt ebenfalls, dass die Weiterbildung von einem durch die Kammer anerkannten Weiterbildungsbefugten persönlich präsent geleitet werden muss. Hier stellt sich die Frage, ob es jemand anderen gibt, der die persönliche Leitung übernehmen kann. Andernfalls müssten Ausbilder und PiW ihre Urlaube immer gleichzeitig nehmen. Bei Krankheit des Weiterbilders muss auch eine zusätzliche Betreuung vorhanden sein. Diese Risiken betreffen gleichermaßen Ausbildungs-Institute. „Abgesehen davon, fördert es die therapeutische Vielfalt nicht, wenn man nur bei einem Supervisor lernt.“ Ergänzt Adler. „Wir glauben auch nicht, dass psychiatrische Ambulanzen die personellen Kapazitäten haben, um die Weiterbildung sicher zu stellen. Man braucht hier auch eher ambulant erfahrene Psychotherapeuten.“
Zahlen
1,3 Prozent der Bevölkerung sind derzeit in Psychotherapie. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 25 Prozent der Bevölkerung Hilfe brauchen würde. Lediglich gut ein Prozent der Gesamtkosten der gesetzlichen Krankversicherungen werden für die ambulante Psychotherapie ausgegeben, obwohl 27 Prozent der Praxen im ambulanten Bereich psychotherapeutisch arbeiten.
Über den Verband
Das „Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk – Kollegennetzwerk Psychotherapie“ (DPNW) wurde am 02.05.2019 in Bonn gegründet. Es hat über 2.300 Mitglieder und 13.000 Abonnenten seines Freitags-Newsletters. Damit ist das DPNW drittgrößter Berufsverband im Bereich Psychotherapie. Der Vorstand besteht aus: 1. Vorsitzender: Dipl.-Psych. Dieter Adler, 2. Vorsitzende: Dipl.-Psych. Claudia Reimer, Dipl.-Päd. Sevgi Meddur-Gleissner. Mehr unter: www.dpnw.de
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