Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm 1 Sa 664/14 vom 17.10.2014.
Fall:
Der Fall war in der Presse umfassend behandelt worden, weil die Praktikantin vor dem Arbeitsgericht Bochum mit einer Klage gegen Rewe über einen Betrag von über 17.000 € für acht Monate Praktikum erfolgreich gewesen ist. Die Supermarktkette Rewe hatte sich von ihrem zuständigen Filialleiter getrennt und Konsequenzen aus dem Fall angekündigt. Eine Konsequenz scheint die Berufung gewesen zu sein. Für die Praktikantin nun die kalte Dusche vor dem Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufungsinstanz.
Urteil:
Das Landesarbeitsgericht Hamm ist der Auffassung, dass der Praktikantin kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt zusteht, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Das Landesarbeitsgericht Hamm: Zwar habe die Klägerin jedenfalls teilweise reguläre Arbeitstätigkeiten verrichtet. Dies sei allerdings im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlich geprägten Praktikantenverhältnisses geschehen. Die Klägerin habe als Teilnehmerin einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit das Praktikum absolviert und in dieser Zeit Leistungen der Arbeitsagentur erhalten.
Das Landesarbeitsgericht folgte damit im Wesentlichen der Argumentation des Arbeitgebers.
Bewertung:
Der Fall weißt gewisse Besonderheiten auf, weil das Praktikum hier im Rahmen einer berufsvorbereitenden Maßnahme erfolgte und die Klägerin parallel Unterricht erhielt. Hätte die Klägerin den Vertrag direkt mit dem Supermarkt geschlossen und wäre dieser weiterhin nicht Teil einer ausbildungsvorbereitenden Maßnahme gewesen, hätte die Entscheidung anders ausgesehen. Umgekehrt muss man sich natürlich fragen, ob derartige Alibiveranstaltungen (die Praktikantin hatte in den acht Monaten an acht Tagen eine Ausbildung) den Charakter des Vertragsverhältnisses wirklich verändern können. Von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm liegen die Urteilsgründe noch nicht vor.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wer als Praktikant die gleichen Arbeiten wie die fest angestellten Arbeitnehmer verrichtet und dies über einen längeren Zeitraum, befindet sich tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis. Das gilt insbesondere dann, wenn die Ausbildung nicht im Vordergrund steht. In einem solchen Fall hat der Praktikant als Arbeitnehmer Anspruch auf die übliche Vergütung, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall usw.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Auch wenn Rewe im vorliegenden Fall nochmal Glück hatte. Wer Praktikanten anstelle von Arbeitnehmern beschäftigt, muss damit rechnen später die Vergütung nachzuzahlen. Das Risiko für Arbeitgeber wird sich im Zuge der Neuregelungen durch das Mindestlohngesetz erheblich verschärfen, da unbezahlte Orientierungspraktika nur noch maximal für drei Monate zulässig sind. Danach hat der Praktikant zumindest Anspruch auf den Mindestlohn, unter den oben geschilderten Voraussetzungen aber sogar auf den Lohn vergleichbarer Arbeitnehmer.
17.10.2014
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