Der Finanzexperte Stefan Kühn erläutert in diesem Bericht, wie Anleger den Konjunkturzyklus gezielt nutzen können, um ihre Aktienanlagen erfolgreich zu steuern.
Im Fokus stehen dabei die optimale Kombination von Wachstums- und Inflationsphasen sowie politische und wirtschaftliche Faktoren, die die Märkte beeinflussen. Anhand eines strukturierten Phasenmodells bietet dieser Bericht eine praktische Orientierungshilfe für die Aktienanlage und Sektorauswahl unter verschiedenen Marktbedingungen.
Investieren über den Konjunkturzyklus
Laut Kühn hängt der Anlageerfolg entscheidend von der richtigen Kombination aus Wachstum und Inflation ab. Politische Ereignisse und wirtschaftliche Unsicherheiten können dabei unerwartete Marktschwankungen auslösen. So hat der Ukraine-Konflikt gezeigt, dass geopolitische Spannungen häufig zu steigenden Energiepreisen und erhöhter Volatilität an den Börsen führen. Kühn empfiehlt eine systematische Orientierung, um solche Risiken einzuordnen und die aktuelle Phase im Konjunkturzyklus zu identifizieren.
Orientierung durch Phasenmodell
Für Anleger ist es wichtig, die verschiedenen Phasen des Konjunktur- und Börsenzyklus zu verstehen, denn jede Phase bietet unterschiedliche Anlagechancen. Kühn stellt dazu ein Phasenmodell vor, das die Dynamik der Wirtschaft abbildet und als Leitfaden für die richtige Branchenauswahl dient. Diese Struktur hilft, Marktentwicklungen besser zu verstehen und erklärt, warum sich die Börsen oft schon während des wirtschaftlichen Abschwungs erholen, wie etwa der DAX im Frühjahr 2024.
Die vier Phasen des Konjunkturzyklus und die Anlageklassen
1. Erholung
Nach einer Rezession beginnt sich die Wirtschaft zu erholen. Die Arbeitslosigkeit ist noch hoch und die Inflation niedrig. In dieser Phase steigen die Unternehmensgewinne, was vor allem risikoreiche Anlagen wie Aktien und Junk Bonds attraktiv macht. Technologie- und Finanzwerte sowie zyklischer Konsum sind bei steigender Konsumentenstimmung besonders gefragt.
2. Aufschwung und Überhitzung
Wenn die Wirtschaft voll ausgelastet ist, steigt die Inflation und die Notenbanken beginnen, die Zinsen zu erhöhen. In dieser Phase profitieren Rohstoff- und Industriewerte. Die Nachfrage nach Rohstoffen und Industriegütern steigt, da Unternehmen vermehrt in die Produktion investieren. Aktuelle Trends wie die Energiewende, Infrastrukturprojekte und die Reorganisation globaler Lieferketten verstärken diesen Aufwärtstrend.
3. Stagflation
Bei stagnierendem Wachstum und hoher Inflation geraten Aktien unter Druck. Stabilität bieten defensive Sektoren wie Gesundheit, Versorger und Immobilien. Da die Gewinne oft stagnieren oder zurückgehen, ist eine vorsichtige Auswahl der Anlagen entscheidend.
4. Reflation
Nach einer Phase niedrigen Wachstums und hoher Inflation setzt ein moderates Wirtschaftswachstum bei sinkenden Inflationsraten ein. Zyklische Konsumgüter und Finanzwerte sind in dieser Phase besonders attraktiv, da die Anleger die Märkte wieder optimistischer einschätzen.
Die „Investment Clock“ und ihre Anwendung
Die „Investment Clock“ der Investmentbank Merrill Lynch ist ein hilfreiches Modell, das den Konjunkturzyklus in vier Phasen einteilt: Aufschwung, Überhitzung, Stagflation und Reflation. Diese Struktur hilft, die Dynamik von Wachstum und Inflation zu verstehen und so geeignete Anlageklassen zu identifizieren. Kühn weist darauf hin, dass die Börse nicht immer streng nach diesem Modell funktioniert und es zu überraschenden Wendungen kommen kann. Als Beispiel nennt er den Technologiesektor, der nach einem starken Anstieg aufgrund geopolitischer Spannungen und Wirtschaftssanktionen unter Druck geriet, als China westliche Chips aus seinen Regierungscomputern verbannte.
Strategische Schwerpunkte: Infrastruktur und Sektorrotation
Investitionen in Infrastruktur: Chancen und Risiken
Angesichts des weltweit steigenden Investitionsbedarfs werden Infrastrukturprojekte auch für private Investoren immer attraktiver. Globale Fonds eröffnen neue Möglichkeiten, in Flughäfen, Autobahnen oder Stromnetze zu investieren. Kühn warnt jedoch vor der oft langen Kapitalbindung und den Problemen beim Verkauf der Anteile. Auch wenn Infrastrukturprojekte große Wachstumschancen bieten, ist eine sorgfältige Prüfung notwendig.
Sektorrotation und ihre Bedeutung
Je nach Phase des Konjunkturzyklus ändern Investoren ihre Präferenzen für bestimmte Sektoren, ein Phänomen, das als Sektorrotation bekannt ist. In den letzten Monaten verlagerte sich das Interesse von zinssensitiven Technologieaktien hin zu Energie- und Rohstoffwerten, die von steigenden Ölpreisen und globalen Lieferkettenstörungen profitieren. Kühn empfiehlt, diese Dynamik zu beobachten und je nach Marktphase gezielt auf die „Laggards“ (Nachzügler) zu setzen, die sich in wirtschaftlichen Umbruchphasen häufig erholen.
Exkurs: Wachstums- und Inflationsprognosen für die Zukunft
Kühn verweist auf das von einigen Experten erwartete Szenario einer „disinflationären Wachstumsbeschleunigung“, die moderate Inflation mit stabilem Wachstum verbindet. Diese „Goldilocks“-Phase, wie sie nach der Finanzkrise und in den 1990er Jahren zu beobachten war, zeichnet sich durch eine lockere Geldpolitik und steigende Aktienmärkte aus. Kühn betont jedoch, dass die Märkte auch jederzeit in eine Überhitzungsphase geraten können, wenn Wachstums- und Inflationsraten zu stark ansteigen, was höhere Zinsen und entsprechende Marktkorrekturen zur Folge hätte.
Fazit: Die Rolle der politischen und wirtschaftlichen Dynamik für den Anlageerfolg
Kühn fasst zusammen, dass eine erfolgreiche Aktienanlage davon abhängt, wie sich Anleger auf verschiedene Kombinationen von Inflation und Wachstum einstellen. Politische Risiken wie Sanktionen und Handelsbeschränkungen können ebenfalls große Auswirkungen haben und sind daher wichtige Faktoren für den Anlageerfolg. Ein wachsendes Bewusstsein für globale Entwicklungen, die Nutzung von Modellen wie der „Investment Clock“ und eine flexible Anpassung an unterschiedliche Marktphasen sind entscheidend, um den Wert von Aktienanlagen langfristig zu sichern.
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Stefan Kühn ist Betriebswirt und Ökonom; er befasst sich seit einigen Jahren mit den volkswirtschaftlichen Veränderungen und der Interdependenz der Märkte sowie der politischen Einflussnahme in Bezug auf Unternehmen, Gesellschaft und den Geldmarkt. Er vertritt die These, dass es sich bei makroökonomischen keynesianischen und neu-keynesianischen Modellen meistens um vollständig interdependente ökonomische Systeme handelt, die nicht rekursiv, sondern nur simultan gelöst werden können. Dabei betrachtet er nicht allein rein wissenschaftliche Methoden, sondern bezieht seine Erkenntnisse aus seiner langjährigen Tätigkeit als Unternehmer und Consultant des Managements überwiegend börsennotierter Unternehmen.
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