Prototypische Heterosexuelle, nonkonforme Heterosexuelle und queere Personen bilden drei Cluster der sexuellen Orientierung.
Klassische Heterosexuelle, nonkonforme Heterosexuelle und queere Personen unterscheiden sich in ihren Beziehungserfahrungen, ihrer Persönlichkeit und ihren politischen Einstellungen. Heterosexuelle sind konservativer und haben einen stärkeren Familienbezug in ihren Partnerschaften. Queere Personen sind offener für neue Erfahrungen, praktizieren häufiger offene oder polyamore Beziehungen, sind aber auch verletzlicher. Nonkonforme Heterosexuelle sind introvertierter, in ihrer heterosexuellen Orientierung weniger festgelegt und weisen Sexualität einen insgesamt geringeren Stellenwert zu.
Dies sind die Ergebnisse einer psychologischen Studie der Dating-Plattform Gleichklang.de. Diese hat untersucht, wie sich unterschiedliche Formen der sexuellen Orientierungen gruppieren lassen und welche Unterschiede zwischen diesen Clustern in Bezug auf Geschlecht, Beziehungserfahrungen, Alter, Bildungsstand, Persönlichkeitsmerkmalen und politischen Einstellungen bestehen.
Die Studie wurde durch den Psychologen und Dating-Coach Guido F. Gebauer auf der Grundlage einer Umfrage unter 1207 Interessenten und Mitglieder der Gleichklang-Plattform durchgeführt. An der Umfrage beteiligten sich 579 Frauen, 602 Männer und 26 nicht binäre Personen im Alter von 19 bis 84 Jahren.
Die Ergebnisse zeigen, dass zwischen prototypischer Heterosexualität, nonkonformer Heterosexualität und einem queeren Spektrum unterschieden werden kann. Zwischen den Mitgliedern dieser drei Clustern bestanden signifikante Unterschiede in der Gestaltung partnerschaftlicher Beziehungen, der Persönlichkeit, den politischen Einstellungen, Bildungsstand, sowie der Alters- und Geschlechter-Verteilung.
Mehr als eine sexuelle Orientierung
In den meisten Umfragen wird die sexuelle Orientierung einfach dadurch erhoben, dass die Teilnehmenden sich als heterosexuell, homosexuell oder bisexuell einschätzen. Dabei können sie jeweils nur exakt eine sexuelle Orientierung auswählen. Diese Zwangsauswahl verengt jedoch die Ergebnisse und macht es unmöglich, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen sich mehr oder weniger überlappenden sexuellen Orientierungen zu untersuchen.
Zudem wurden mittlerweile zahlreiche weitere Begriffe zur sexuellen Orientierung eingeführt, wie pansexuell, omnisexuell, skoliosexuell oder asexuell, die auf einen höheren Differenzierungsbedarf in dem Bereich der sexuellen Orientierung hinweisen.
In der aktuellen Studie wurden daher neben Heterosexualität, Homosexualität und Bisexualität auch Heteroflexibilität, Homoflexibililtät, Pansexualität, Omnisexualität, Skoliosexualität, Heteroflexibilität, Homoflexibilität, Asexualität und Gray-Asexualität eingeschlossen.
– heteroflexibel: Heterosexuelle Anziehung besteht, andere Anziehungen sind mehr oder weniger denkbar.
– homoflexibel: Homosexuelle Anziehung besteht, andere Anziehungen sind mehr oder weniger denkbar.
– pansexuell: Geschlecht/Gender spielen für sexuelle Anziehung keine Rolle.
– omnisexuell: Alle Geschlechter/Gender werden als sexuell anziehend erlebt.
– skoliosexuell: Sexuelle Anziehung bezieht sich auf nicht binäre Personen.
– asexuell: Es besteht kein Wunsch nach sexueller Interaktion.
– gray-asexuell: Es besteht fast kein oder ein nur sehr geringer/gelegentlicher Wunsch nach sexueller Interaktion.
Außerdem wurden die Teilnehmenden nicht gezwungen, nur exakt eine sexuelle Orientierung auszuwählen, sondern sie beurteilten für alle erfragten sexuellen Orientierungen unabhängig voneinander, ob diese zutrafen, nicht zutrafen oder ob sie eine Offenheit für die entsprechenden Orientierungen bei sich verspürten.
Aufgrund dieses Untersuchungsansatzes war es möglich, sexuelle Orientierungen jenseits der vereinfachenden Dreiteilung in heterosexuell, homosexuell und bisexuell in ihrem komplexen Wechselspiel zu untersuchen und auf dieser Basis die Teilnehmenden mit statistischen Verfahren in unterschiedliche Gruppen einzuteilen.
Im Anschluss konnten die Unterschiede zwischen diesen Clustern bezüglich Beziehungserfahrungen, Persönlichkeit, politischen Einstellungen, Bildungsstand, sowie der Alters- und Geschlechter-Verteilung untersucht werden.
Hauptergebnisse
Drei Cluster der sexuellen Orientierung
Die statistische Auswertung zeigte, dass sich die Teilnehmenden anhand der individuellen Konfigurationen ihrer sexuellen Orientierungen in drei breite Gruppen unterteilen ließen, die inhaltlich benannt wurden als prototypische Heterosexualität, nonkonforme Heterosexualität und queeres Spektrum:
– Prototypische Heterosexuelle (53,2 %) waren Personen, die sich als heterosexuell bezeichneten und keine oder eine nur sehr geringe Offenheit für weitere Orientierungen aufwiesen.
– Nonkonforme Heterosexuelle (14,7 %) bezeichneten sich ebenfalls als heterosexuell, gaben aber zusätzlich häufiger über Heterosexualität hinausweisende Ausrichtungen an, wie Heteroflexibilität, Bisexualität, ein Interesse an nicht binären Personen (Skoliosexualität) oder auch eine Verortung im asexuellen Spektrum.
– Mitgliedes des queeren Spektrums (32,3 %) benannten Interessen in den Bereichen Homosexualität, Bisexualität, Pansexualität, Omnisexualität, Skoliosexualität oder auch im Spektrum Asexualität. Die meisten bejahten mehrere Orientierungen oder waren offen für sie. Offenheit für Heterosexualität war in dieser Gruppe immer mit der Bejahung eines weiteren queeren Spektrums verbunden.
Unterschiede in Geschlecht, Alter und Bildungsstand
Die drei Gruppen unterschieden sich statistisch signifikant bezüglich ihrer Geschlechter-Verteilung:
– Bei den prototypischen Heterosexuellen waren Männer stärker repräsentiert als Frauen und es gab keine nicht binären Personen.
– Im Kontrast waren bei den nonkonformen Heterosexuellen Frauen stärker repräsentiert als Männer und 2,9 % der Mitglieder waren nicht binär. Im queeren Spektrum waren ebenfalls Frauen stärker repräsentiert als Männer, vor allem aber zeigte sich hier mit 7,9 % mit Abstand der größte Anteil nicht binärer Personen.
– Die Mitglieder des queeren Spektrums waren etwas jünger als die Mitglieder der beiden anderen Gruppen, die sich im Alter nicht signifikant voneinander unterschieden.
Keine Unterschiede gab es zwischen den drei Clustern der sexuellen Orientierung im Bildungsstand.
Partnerschaftliche Beziehungen
Die Befragten machten ebenfalls Angaben zu ihren vorherigen oder aktuellen partnerschaftlichen Beziehungen. Es zeigten sich hier einige Unterschiede in der Beziehungsgestaltung:
– Prototypische Heterosexuelle gaben besonders oft an, mit Partnern eine Familie begründet zu haben.
– Personen aus dem queeren Spektrum schilderten häufiger als die anderen Befragten Erfahrungen mit Nicht-Monogamie in ihren Beziehungen. Außerdem interessierten sie sich häufiger für BDSM.
– Nonkonforme Heterosexuelle legten in ihren Beziehungen den geringsten Schwerpunkt auf Sex.
Auch wenn sich die drei sexuellen Orientierungs-Gruppen in Beziehungserfahrungen, Persönlichkeitsmerkmalen und politische Einstellungen unterschieden, berichteten die Mitglieder aller drei Gruppen eine vergleichbare Beziehungszufriedenheit in ihren aktuellen oder vorherigen Partnerschaften.
Persönlichkeits-Merkmale
Unterschiede wurden zwischen den drei Gruppen auch in der durchschnittlichen Ausprägung von Persönlichkeits-Merkmalen sichtbar:
– So kennzeichneten sich die prototypischen Heterosexuellen im Vergleich zu den nonkonformen Heterosexuellen durch eine höhere Ausprägung in Gewissenhaftigkeit. Gewissenhaftigkeit bezieht sich auf die klassischen Tugenden Ordnung, Genauigkeit und Selbstdisziplin.
– Umgekehrt stellten sich die nonkonformen Heterosexuellen als sozial etwas weniger verträglich und als introvertierter dar als die prototypischen Heterosexuellen.
– Demgegenüber kennzeichneten sich die im queeren Spektrum liegenden Personen im Vergleich zu den anderen Teilnehmenden durch eine erhöhte Offenheit für neue Erfahrungen, einen höheren Neurotizismus und durch eine höhere Merkmalsausprägung auf der Skala Hochsensibilität. Dies spricht für eine höhere Offenheit auch für nicht-konventionelle oder ungewöhnliche innere oder äußere Erlebnisse, eine höhere emotionale Labilität im Sinne akzentuierter negativer Emotionalität sowie eine stärkere Ausprägung hochsensitiver Verarbeitungsweisen.
Politische Einstellungen
Außerdem bestanden zwischen den drei Clustern Unterschiede in ihren politischen Einstellungen:
– Prototypische Heterosexuelle wiesen den im Durchschnitt höchsten Wert auf der in der Studie verwandten Konservatismus-Skala auf. In der Mitte lagen die nonkonformen Heterosexuellen, während Personen im queeren Spektrum die geringste Neigung zum Konservatismus zeigten.
Psychologische Interpretation
Gebauer erläutert, dass traditionell davon ausgegangen werde, dass Menschen jeweils nur eine sexuelle Orientierung haben. Mittlerweile haben sich aber Bezeichnungen für sexuelle Orientierungen immer weiter ausdifferenziert und können dabei erhebliche Überlappungsbereiche untereinander aufweisen. Außerdem seien viele traditionelle Begriffe der sexuellen Orientierung aufgrund der zwischenzeitlichen Anerkennung der Existenz nicht binärer Personen weniger eindeutig als zuvor.
Die Studienergebnisse zeigen laut Gebauer, dass auf einer mittleren Abstraktionsebene zwischen prototypischer Heterosexualität, nonkonformer Heterosexualität und dem queeren Spektrum unterschieden werden könne.
Die aktuelle Studie stütze damit gleichzeitig die Sinnhaftigkeit neuerer Begriffe der sexuellen Orientierung, die über die traditionellen Begriffe der Heterosexualität, Homosexualität und Bisexualität hinausgehen. Wären diese Begriffe nämlich nicht sinnhaft, wäre es nicht möglich gewesen, die Teilnehmenden statistisch in drei Gruppen zu unterteilen, deren Besonderheiten sich jeweils gut inhaltlich verstehen und interpretieren ließen.
Es sei daher davon auszugehen, dass die neuen sexuellen Orientierungen, die begrifflich in den letzten Jahren eingeführt worden seien, tatsächlich bedeutsame Komponenten der Sexualität widerspiegeln.
Bezüglich der Interpretation der resultierenden Gruppierung führt Gebauer aus, dass die prototypische Heterosexualität als einzige der drei Gruppen im Wesentlichen dem traditionellen heterosexuellen Modell einer einzigen sexuellen Orientierung mit einer intensiven sexuellen Anziehung von Männern allein durch Frauen und von Frauen allein durch Männer entspreche.
Selbst dies sei aber nicht für alle Mitglieder des Clusters prototypische Heterosexualität zutreffend, da manche prototypischen Heterosexuellen dennoch offen für Heteroflexibilität seien. Allerdings habe diese als potenzielle Option für die betreffenden Personen eine so geringe Bedeutsamkeit, dass sie nur minimal aus dem traditionellen heterosexuellen Raster herausfallen.
Mit den nonkonformen Heterosexuellen trete nun eine weitere Gruppe vorwiegend heterosexueller Personen hinzu, die der traditionellen heterosexuellen Norm nicht mehr entsprechen.
Diese nonkonformen Heterosexuellen bezeichnen sich auch als heterosexuell, weisen aber weitere darüber hinausgehende Merkmale auf, die nicht nur die häufigere Bezeichnung als heteroflexibel betreffen, sondern auch in einem häufigerem sexuellen Interesse an nicht binären Personen (Skoliosexualität) und der ergänzenden Verwendung weiterer Begriffe für die Selbstzuschreibung, wie bisexuell oder pansexuell.
Gebauer führt aus, dass sich von den nonkonformen Heterosexuellen nunmehr wiederum die Mitglieder des queeren Spektrums unterscheiden durch eine bei Weitem größere Rolle von sexuellen Orientierungen aus den Bereichen Homosexualität, Bisexualität, Pansexualität, Omnisexualität oder Skoliosexualität.
Tatsächlich sei auch die queere Gruppe komplex und es könne von ihren Mitgliedern auch eine heterosexuelle Orientierung oder Heteroflexibilität benannt werden. Wenn Heterosexualität oder Heteroflexibilität bejaht werden, seien diese aber bei Mitgliedern des queeren Clusters tatsächlich immer in ein ausgeprägtes Spektrum weiterer sexueller Orientierungen eingebettet und würden anders als bei den anderen beiden Gruppen nicht als vorherrschend oder besonders wichtig wahrgenommen.
Gebauer streicht heraus, dass interessanterweise Personen, die sich im asexuellen Spektrum verorten, gemäß der Ergebnisse der aktuellen Studie kein eigenständiges Cluster bildeten. Vielmehr sei das asexuelle Spektrum sowohl bei den nonkonformen Heterosexuellen als auch bei queeren Personen vertreten. Demgegenüber sei bei den prototypischen Heterosexuellen das asexuelle Spektrum komplett abwesend.
Gebauer schließt hieraus, dass zur traditionellen heterosexuellen Norm nicht nur die Gegengeschlechtlichkeit an sich gehöre, sondern auch das Vorhandensein eines intensiven sexuellen Begehrens. Wer eines von beiden nicht teile, falle aus der traditionellen heterosexuellen Norm heraus.
Bei den nonkonformen Heterosexuellen und den queeren Personen seien demgegenüber alle sexuellen Begehrens-Stärken vertreten, was den asexuellen Bereich einschließe. Dabei sei aber bei den nonkonformen Heterosexuellen das asexuelle Spektrum etwas stärker repräsentiert als im queeren Cluster.
Die Studie zeigt laut Gebauer darüber hinaus gehend, dass sexuelle Orientierungen nicht ausschließlich eine Frage der Ausrichtung der Sexualität seien. Vielmehr werden Bezüge sichtbar zur Persönlichkeit, zu den politischen Einstellung und zur Art, wie romantische Beziehungen gelebt werden.
Psychologisch stellen sich nach Gebauer die prototypischen Heterosexuellen – im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen – als eine Gruppe dar, die partnerschaftlich traditionelle Familienwerte umsetze, sich als gewissenhaft im Sinne von Ordnungsliebe, Genauigkeit und Selbstdisziplin beschreibe und konservative Werte vertrete.
Demgegenüber fallen laut Gebauer die nonkonformen Heterosexuellen aus diesem Raster heraus durch einen geringeren Bezug zur Familiengründung, eine stärkere Introversion und einen geringeren Fokus auf Sexualität insgesamt.
Bei Mitgliedern der queeren Gruppe sei wiederum insbesondere auffällig das stärkere Praktizieren nicht-monogamer Beziehungsformen, das höhere Interesse an sexuellem Experimentieren im Sinne von BDSM, der besonders geringe Konservatismus, sowie persönlichkeitsstrukturell das Muster aus höherer Offenheit für Erfahrung, emotionaler Labilität (Neurotizismus) und Hochsensibilität.
Gebauer hält die erhaltenen Befunde für psychologisch plausibel:
„Der stärkere Konservatismus, der häufigere Fokus auf Familiengründung und die höhere Gewissenhaftigkeit der prototypischen Heterosexuellen entspricht der sozial erwünschten traditionellen Mehrheitsnorm. Demgegenüber wird gerade bei LGBTQ+-Personen, die dem queeren Spektrum in dieser Studie zuzuordnen sind, in der Forschung eine Neigung zu gesellschaftskritischem Denken, Unkonventionalität und zu nicht-monogamen Beziehungsformen beschrieben. In der aktuellen Studie zeigt sich dies anhand des geringen Konservatismus, der hohen Offenheit für Erfahrungen, der Neigung zu Hochsensibilität wie auch dem häufigeren Praktizieren von Nicht-Monogamie, aber auch von BDSM. Der in der aktuellen Umfrage beobachtete höhere Neurotizismus stimmt ebenfalls mit Studien überein, die zeigen, dass LGBTQ+-Personen häufiger von psychischen Krisen und Erkrankungen betroffen sind als Heterosexuelle. Dies wiederum kann Folge sein von gesellschaftlichen Vorbehalten der Mehrheitsgesellschaft in Form von Mikroaggressionen und Diskriminierung, kann aber auch stammen aus den höheren Risiken, die oftmals damit verbunden sind, wenn Menschen gesellschaftliche Konventionen überschreiten.“
Auch die Unterschiede in der Geschlechter-Verteilung sowie das im Durchschnitt etwas geringere Alter der queeren Gruppe hält Gebauer für plausibel:
Zahlreiche Studien zeigten, dass nicht binäre Personen in der queeren Community besonders stark vertreten seien, was sich in dieser Studie an ihrem relativ hohen Anteil im queeren Cluster zeige. Zudem seien Männer im Durchschnitt konservativer und schilderten oft auch ein höheres Interesse an Sexualität, was sich in ihrer Überrepräsentanz im Cluster der prototypischen Heterosexuellen widerspiegele. Frauen reflektierten eher ihre sexuelle Orientierung, seien aufgeschlossener für sexuelle Fluidität und Flexibilität, aber auch für asexuelle Erlebensweisen. Dies passe gut zu dem Befund der aktuellen Studie, dass Frauen im Vergleich zu Männern bei den nonkonformen Heterosexuellen und im queeren Spektrum überrepräsentiert seien.
Viele der in dieser Studie zugrunde gelegten Begriffe zur sexuellen Orientierung seien erst vor relativ kurzer Zeit entstanden oder populär geworden. Jüngere Menschen seien im Durchschnitt aufgeschlossener für neue Begriffe und Möglichkeiten, ihre Sexualität zu beschreiben. Dies sei konsistent mit der Beobachtung in der aktuellen Studie, dass die Mitglieder des queeren Spektrums ein geringeres Durchschnittsalter aufwiesen.
Für interessant hält Gebauer aber auch den komplett fehlenden Zusammenhang zwischen dem formalen Bildungsstand und der Zugehörigkeit zu den Clustern:
Bildung und die eigene sexuelle Orientierung seien offenbar zwei komplett verschiedene Bereiche, die keine Überlappung miteinander aufwiesen. Dieser Befund spreche gleichzeitig gegen aus konservativer Perspektive teilweise vorgebrachte Bedenken, dass die neuen Begriffe zur sexuellen Orientierung tatsächlich nur intellektuelle Konstruktionen seien, die keinem echten psychischen Erleben entsprächen.
Für bemerkenswert hält Gebauer es außerdem, dass die in dieser Studie identifizierte Gruppe der nonkonformen Heterosexuellen bisher kaum untersucht sei. Dies hänge vermutlich mit der allgemeinen menschlichen Neigung zusammen, entweder gesellschaftliche Mehrheitsnormen oder das Gegenteil von diesen zu untersuchen.
Auf der Strecke bleibe so eine nicht unerhebliche Anzahl heterosexueller Personen – immerhin 21.6 %, also jede fünfte heterosexuelle Person in dieser Studie – deren Erlebensweisen durch die heterosexuelle Mehrheitsnorm nicht ausreichend repräsentiert werde.
Diese Personen seien zwar heterosexuell, aber in einer anderen Art und Weise als die meisten Heterosexuellen; mit einerseits mehr Offenheit für weitere sexuelle Orientierungen (Fluidität, Flexibilität) und andererseits einem im Durchschnitt deutlich geringeren Grad an Sexualisierung ihrer inneren Erlebensweisen.
Bedeutung für die Partnersuche
Gebauer hält es für wahrscheinlich, dass im Durchschnitt die Aussicht auf eine auch langfristig glückliche und stabile Beziehung steigt, wenn die Partnerwahl innerhalb der jeweiligen drei Cluster stattfindet.
Grundsätzlich sei es möglich, Unterschiede in Beziehungen zu kompensieren. Im Einzelfall könnten Unterschiede sogar für Beziehungen belebend sein. Dennoch sei es bei Weitem einfacher, eine gute Kompatibilität in einer Beziehung zu erreichen, wenn die sexuellen Erlebensweisen miteinander übereinstimmen:
Treffe beispielsweise eine prototypisch heterosexuelle Person auf eine nonkonforme heterosexuelle Person, gebe es grundsätzlich eine Übereinstimmung in der heterosexuellen Anziehung. Die höhere Offenheit der nonkonformen Person für andere sexuelle Ausrichtungen oder auch der geringere Stellenwert, den sie der Sexualität an sich oder der Familiengründung zuweise, könne aber zu Unverständnis und belastenden Konflikten führen.
Auch eine queere und eine nonkonforme heterosexuelle Person könnten im Sinne der Offenheit für jenseits von Heterosexualität liegende Orientierungen eine Beziehungsbasis miteinander finden. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass die vorherrschende Heterosexualität der nonkonformen heterosexuellen Person letztlich zum Vorschein komme und es den Partnern erschwere, eine tatsächlich erfüllende Sexualität und Beziehung miteinander aufzubauen. Dies gelte umso mehr, als dass auch bei solch einer Konstellation besonders oft Unterschiede in der Bereitschaft für Nicht-Monogamie oder dem Interesse an BDSM auftreten können.
Allerdings sieht Gebauer diese Empfehlungen nicht als in Stein gemeißelt an:
Auch innerhalb der drei Cluster gebe es nach wie vor viel Individualität, sodass die Überlappung zwischen Personen unterschiedlicher Cluster im Einzellfall größer sein könne, als dies in den Gruppendurchschnitten zum Ausdruck komme. Zudem seien Menschen dazu in der Lage, miteinander Vereinbarungen zu treffen, sodass tragfähige Beziehungen zwischen Personen mit unterschiedlichen Konfigurationen der sexuellen Orientierung entstehen können.
Mut macht laut Gebauer, dass sich zwischen prototypischen Heterosexuellen, nonkonformen Heterosexuellen und dem queeren Spektrum keine Unterschiede in der durchschnittlichen Beziehungszufriedenheit zeige. Alle haben demnach die gleiche Chance, eine erfüllende Beziehung aufzubauen, egal, wie ihre sexuelle Orientierung konfiguriert sei.
Detaillierte numerische Ergebnisse und Erläuterungen der Zusammenhänge werden in diesem Blog-Artikel bereitgestellt.
Gleichklang.de ist eine psychologisch ausgerichtete Kennenlernplattform, die seit 2006 im Internet ihre Dienste anbietet. Gleichklang wendet sich an Menschen mit sozial-ökologischen Denkweisen. Gleichklang hat sich zusätzlich darauf ausgerichtet, Personen mit besonderen oder seltenen Merkmalen bei ihrer Partnersuche und Freundschaftssuche zu unterstützen. Es gibt nur kostenpflichtige Teilnahmen, um eine hohe Datei-Qualität zu gewährleisten. Guido F. Gebauer ist Psychologe, Dating-Coach und Pressesprecher bei Gleichklang und Verfasser des Dating-Ratgebers „A Perfect Match? Online-Partnersuche aus psychologischer Sicht“.
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