Utopie einer nackten Hochkultur: Christian von Kamp, Paradision

Reine Fantasie? Oder kann Nacktheit ein Mittel der Politik sein?

Utopie einer nackten Hochkultur: Christian von Kamp, Paradision

Roman einer nackten Kultur

In dem utopischen Roman „Paradision“, neu erschienen im Verlag New Sun Books, schildert der Autor Christian von Kamp das Leben in einer zukünftigen Hochkultur, in der ein ganzes Volk nackt lebt. Doch diese Nacktheit hat andere Hintergründe als etwa der Nudismus oder die Lebensreform-Bewegung des vorletzten und letzten Jahrhunderts.

Von Kamp lässt in seinem Roman ein Erzieherpaar, das bisher glücklich und zufrieden im „Immerwährenden Reich“ lebte, in Konflikt mit dem Staat geraten. Eines der ihnen anvertrauten Zöglinge wurde entführt, und bald stellt sich heraus, dass mehr dahinter steckt als ein Verbrechen. Eigentlich gibt es keine Verbrecher in diesem Reich seliger Nacktheit, in dem Krankheiten ebenso wenig existieren wie negative Charakterzüge, die einer Gesellschaft Schaden zufügen könnten. Die Menschen sind mit perfekten Körpern ausgestattet, und verborgene Maschinen liefern das ideale Klima, das Kleidung überflüssig macht. So ist Nacktheit ganz natürlich, und keiner hinterfragt sie, sondern alle leben unbeschwert wie Adam und Eva. Zwar werden allen Menschen auch Anstrengung und Abhärtung abverlangt, doch auch diese tragen, wie die Glücksforschung ergeben hat, letztlich zur Zufriedenheit eines jeden bei. Die Menschen dürfen sich alle als kreative Künstler fühlen, denn jede Tätigkeit, und sei es die der Beamten, wird als Kunstausübung angesehen. Freudlosigkeit und Lebensüberdruss sind unbekannt, man weiß nur, dass vergangene Kulturen durch derartige Negativitäten zum Untergang verurteilt waren. Dank der Formeln und verschiedener Rituale, die der Rat der Weisen entdeckt hat, wird das Immerwährende Reich hiervon verschont bleiben.

Natürlich vermuten oder ahnen die Leser, dass Schein und Sein auseinanderklaffen. Oder liegen sie vielleicht falsch? Die Menschen leben doch wirklich glücklich in diesem paradiesischen Reich. Sieht man einmal ab von dem Unglück, das diejenigen trifft, bei denen ein Familienmitglied entführt wird. Aber geht es den Entführten wirklich schlecht? Die Behörden behaupten, sie seien einer besseren Bestimmung zugeführt worden. Das Erzieherpaar gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Und kommt schließlich hinter die Geschichte der Entstehung des Immerwährenden Reichs.

Am Schluss dieses „Politkrimis“, der in der Rahmenhandlung auch auf die Gegenwart überzugreifen droht, leben die Menschen nicht mehr ununterbrochen nackt. Sie können sich entscheiden. Die Nacktheit, zu der es keine Alternative gab, war Teil des Glücklichseins gewesen. Und zugleich Teil einer Beeinflussungs-Maschinerie.

Autor seit 1988, Wohnort Düsseldorf. Er schreibt Utopien, Romane über Spätzeiten und untergehende Kulturen sowie biografische Romane.

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